Freitag, 20. März 2009

Fuck the world!

In dem SPIEGEL-TV Bericht „Polizei gegen Jugendgewalt, Teil 3“ (vom 09.03.2009) wurde u.a. ein (ursprünglich aus Afghanistan stammender) junger Mann während einer Vernehmung im Jugendgefängnis vorgestellt. Zu diesem Bericht möchte ich einige Gedanken zusammenfassen.
Der Mann ist ein bulliger, unruhiger Kerl, vor dem man in der Tat Angst haben müsste, wären nicht zwei Polizisten im Raum. „Einsichtig“ berichtet er, dass er bzgl. einer seiner Straftaten heute anders gehandelt hätte. Damals gab es einen Konflikt mit einem anderen Jugendlichen. Er schnitt ihm darauf ein Ohr ab. Heute würden es auch Schläge tun, meint er...

Und dann sprudelt es während der Befragung aus ihm heraus. „Ich war nicht immer so, ich wurde zu dem gemacht, was ich heute bin.“ In Afghanistan herrschte überall Gewalt, berichtet er. Zu Hause in der Familie und auch draußen. Nirgends gab es Sicherheit. Er musste lernen, zu überleben. Dann zieht er sein T-Shirt aus und zeigt seine vielen Tätowierungen. Diese habe er sich nicht zum Vergnügen machen lassen. Sie seien alle Symbole. Hinten am Rücken prangt in großer Schrift „FUCK THE WORLD“. Diesen Schriftzug habe er machen lassen, nachdem sein Vater gestorben war. Die beiden Beamten im Raum verfolgen still und fast etwas betroffen (so kam es mir vor) diese Schilderungen.

Dieser Intensivtäter kommt einem in dem Bericht nah, zumindest ging es mir so. Und gleichzeitig möchte man ihn auf Distanz halten und ihm nicht alleine begegnen. Ich empfand Erschrecken und auch Mitleid für das, was dieser Mann früher erleiden musste. Vor allem das eintätowierte „Fuck the World“ brachte zum Vorschein, dass sich dieser Mann aufgegeben hat. Ich fragte mich, ob es überhaupt menschmöglich (z.B. in einer Therapie) sein könnte, an einen so tief verletzten Menschen heran zu kommen?
Gleichzeitig entschuldigt dies nichts und man muss die Gesellschaft vor ihm schützen. Da fühlte ich ganz klar eine Grenze. Und irgendwie wollte ich ihm auch zurufen: „Du bist verantwortlich für das, was Du getan hast!“

Im direkten Kontakt mit den Tätern ist dieses „Du bist verantwortlich für das, was Du getan hast!“ notwendig und das einzig richtige. Die Verantwortung für die eigenen Taten zu übernehmen, ist nebenbei bemerkt auch für die Heilung von Tätern sehr wichtig. Erst danach könnten sie sich selbst langsam ihre Taten verzeihen und Frieden finden. In der Realität geschieht dies leider selten. In der Analyse „von oben“ würde ich der Aussage „Ich war nicht immer so, ich wurde zu dem gemacht, was ich heute bin.“ zustimmen. Für mich geht das beides, ich weiß aber auch darum, dass genau dies ein Problem für viele darstellt.

Nun habe ich mich im Grundlagentext intensiv mit Diktatoren beschäftigt, von denen einige Millionen Menschen auf dem Gewissen haben. Ich vermute, dass es vielen Menschen aufstoßen wird, wenn ich die Kindheit dieser Schlächter beschreibe.

Was ich sagen will ist: Mir geht es hier um ein Grundverständnis dafür, wie Gewalt und Hass entsteht. Und dies aus präventiven Gründen. Das kann ich gar nicht oft genug wiederholen. Ich möchte die TäterInnen nicht entschuldigen! Wenn man dies begriffen hat, dann kann man sich wirklich auf das Thema einlassen. Der nächste Schritt wäre dann im Grunde der, dass man weltweiten Kinderschutz intensiv vorantreibt. Damit nicht noch mehr Menschen in ihre Seele und manch einer auch auf seinen Körper einbrennen „FUCK THE WORLD!“

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