Samstag, 29. Juni 2013

Kindheit und Gewalt in Liberia

Ein Team um Shane Smith vom VICE-Magazine brachte 2009 die Dokumentation “The Cannibal Warlords of Liberia” heraus. Der Film, der auch auf youtube  zu sehen ist, hat mich geradezu umgehauen. Die Zustände in den gezeigten liberianischen Regionen sind unvorstellbar. Ich persönlich dachte auch, dass es so ähnlich im europäischen Mittelalter ausgesehen haben muss. Überall Dreck, Gewalt, Gewalt, Gewalt, Hunger, Krankheiten, Hoffnungslosigkeit, resignierte und schwer traumatisierte Menschen.

Der Filmemacher wollte u.a. auch nachweisen, dass Kannibalismus während des Krieges oft vorkam. Und in der Tat berichten ihm Warlords, wie die jungen Soldaten vor der Schlacht zunächst unschuldige Kinder töteten, um dann ihr Herz zu essen oder ihr Blut zu trinken, um für die Schlacht Kräfte zu tanken und unverwundbar zu werden, wie sie glaubten.

In der Doku wurde gesagt, dass 70-85% aller dortigen Frauen vergewaltigt worden sind.  92% dieser Frauen waren dabei unter 18 Jahre alt.

Auf der Homepage der initiative endcorporalpunishment fand ich weitere Zahlen. Eine große Studie der Organisation „Cherish the Kids“ aus dem Jahr 1999, für die 18.000 Eltern in Liberia befragt wurden, ergab, dass 85 % ihre Kinder schlagen. 46 % gaben auch zu, besonders schwere Formen von Gewalt anzuwenden. Eine andere zitierte Studie ergab, dass 81 % der befragten 24.000 Kinder angaben, durch ihre Eltern körperliche Gewalt zu erleben oder schwer ausgepeitscht zu werden.

Es ist nur logisch, dass sich in einem solchen Land auch im sozialen Nahbereich und in der Kindererziehung überall Gewalt und besonders auch schwere Gewalt nachweisen lässt. Ich bin mir sicher, dass man, würden die grausamen Täter und „Kannibalensoldaten“ befragt werden, bei allen eine unglaublich traumatische Kindheit vorfinden würde. Die in der Doku gezeigten Lebensbedingungen – vor allem auch für die Kinder – sind an sich schon traumatisch und können nur überlebt werden, wenn Gefühle abstumpfen. Dies dürfte allen klar sein. Wenn dann auch noch die Eltern draufschlagen, demütigen und missbrauchen (etwas, das schon seltener besprochen wird, wenn es um die Analyse von Gewalt und Destruktivität in solchen Ländern geht) , dann ist alles verloren, dann gibt es keinen Glauben mehr an das Leben und an Menschlichkeit.

Übrigens: Charles Taylor persönlich - Kriegsverbrecher und bis 2003 Präsident von Liberia -  peitschte seine 13 Jahre alte Tochter Edena 2001 vor ihrer Klasse mit 10 Hieben aus, um ihr Fehlverhalten in der Schule öffentlich zu bestrafen und um sich zum Vorbild für sein Land zu machen, in dem Ungehorsam nicht geduldet wird. Sein Handeln spricht Bände.

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