Donnerstag, 3. Juni 2010

Das "goldene" Zeitalter des emotionalen Kapitalimus

Geld fühlt nichts. Der im Wirtschaftsprozess handelnde Mensch – der Homo oeconomicus – fühlt nichts, er handelt zweckrational und nutzenmaximierend sagt das klassische ökonomische Modell. Damit sollen gesellschaftliche und ökonomische Prozesse und Phänomene erklärt werden. Das individuelle Verhalten (und erst recht die Emotionen) der Akteure ist in diesem Modell nicht wirklich von Bedeutung, es geht darum zu erklären, was im Großen (z.B. „dem Markt“) stattfindet.

Ich kann das Modell gut nachvollziehen und finde es auch nützlich, um Wirtschaftsprozesse zu erklären und zu verstehen. Worum es mir hier jetzt aber geht ist ein Lob an den Kapitalismus und zwar ein echtes. Ich finde den Kapitalismus nämlich klasse! Wirklich. Es ist das Modell, was einfach am meisten Sinn macht und dem menschlichen Wesen – das gerne Handel treibt und innovativ ist - gerecht wird. Ich halte insofern auch nichts von einer grundlegenden Systemkritik und einer Abschaffung des Kapitalismus, um dann scheinbar eine bessere Welt zu erzeugen.
Was ich im Grunde für das Hauptproblem innerhalb des Systems halte, sind die Emotionen der Menschen oder auch die emotionale Leere von einem Teil der Akteure. Geld fühlt nichts, ja richtig. Aber Menschen fühlen etwas. Sollte man zumindest meinen. Mit Gefühlen verbinden wir vor allem auch Mitgefühl. Doch was passiert, wenn der am Markt teilnehmende Mensch im Extremfall gar nichts fühlt? Wenn er innerlich leer und abgestumpft ist? Wenn er eben kein Mitgefühl kennt?

Geld fühlt nichts, aber, es gibt auch Menschen, die nichts fühlen. Wenn der nicht-fühlende Mensch, der mitgefühllose Mensch kein Einzelfall ist, sondern einen erheblichen Teil der Akteure ausmacht und/oder Einzelpersonen, die über erhebliche Kapitalmengen verfügen, zu dieser Kategorie zählen, dann gibt es Probleme.
Würde der mitfühlende Mensch heute in Aktien eines Rüstungskonzerns investieren, wenn er mit einer 90 % Wahrscheinlichkeit auf Grund von Marktdaten mit einer Verdreifachung seines Kapitals rechnen könnte? Es wäre zweckrational, wenn dieser Mensch sich das Geschäft nicht entgehen lassen würde. Es wäre emotional, wenn er den Gewinn sausen lassen würde.
Und wenn der mitfühlende Mensch Morgen Opas Aktien von einem Rüstungskonzern erbt, was würde er tun? Könnte er damit Leben, Anteile an einem Unternehmen zu besitzen, das Waffen herstellt, damit Menschen getötet werden können? Wahrscheinlich nicht. Opas Aktien gehören also verkauft.

Das Rüstungskonzernbeispiel ist ein deutliches Beispiel, eines von vielen möglichen. Mit der stetigen Verbesserung der Kindererziehungspraxis wird auch der Markt immer emotionaler und mitfühlender werden. Dort wo keine Gewalt gegen Kinder angewandt wurde, mussten auch keine Gefühle abgespalten werden. In dem Moment, wo der emotionale Mensch umfassende Informationen über den Markt bekommt, wird er mit höherer Wahrscheinlichkeit auch emotionaler mit diesen Informationen umgehen, als der Akteur, dessen Gefühle verschüttet wurden. Wenn der emotionale Mensch erfährt, dass ein Produkt, das er gerne kauft, z.B. für erhebliche Umweltschäden verantwortlich ist oder durch das produzierende Unternehmen Menschrechte mit Füßen getreten werden, wird er seine Kaufentscheidung wahrscheinlich ändern. Sein maximaler Nutzen wäre dann ein menschlicher, emotionaler, nämlich sich gut bzw. nicht schlecht zu fühlen mit dem, was er mit seinem Geld tut. Der Boom der ökologisch und sozial verträglich arbeitenden Unternehmen in den letzten 30 Jahren geht meiner Meinung nach zu einem großen Teil auf die Verbesserung der Kindererziehung zurück. Mitfühlende Menschen wollen sozial verträgliche und umweltschonende Produkte. Menschen ohne Gefühle ist dies egal. Der Markt wird sich in den nächsten Jahrzehnten ökologisieren und immer sozialverträglicher werden. Ebenso verändert sich die Informationsbedeutung im Wirtschaftsprozess. Die Menschen wollen immer mehr „emotionale Infos“ über Unternehmen und Produkte. Diverse Label, Medienberichte, Internetportale und Broschüren zeigen dies.

Wenn die Fortschritte im Kinderschutz und der Erziehung (und auch in der Psychotherapie, durch die Gefühle zurückerobert werden können) so weitergehen, ist diese ökonomische-emotionale Entwicklung nicht zu stoppen. Der alte neoliberale, mitleidlose Markt wird abgelöst werden, durch den emotionalen Markt. Wir befinden uns mitten in diesem Veränderungsprozess. Insofern freue ich mich schon auf die Zukunft.

1 Kommentar:

Michael Kumpmann hat gesagt…

Ich glaube, die meisten Leute, die in Rüstungskonzerne investieren, werden Fonds gekauft haben. Und da werden die nicht wissen, dass sie Aktien an Rüstungskonzernen besitzen.