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Dienstag, 18. Oktober 2016

Kindheit von Bill Clinton - Er hätte niemals Präsident werden dürfen

Ich habe mich erneut – diesmal noch ausführlicher als in meinem Text "Bill Clinton: Kindheit und Kriegsführungspersönlichkeit; siehe ergänzend auch "Kindheit von Hillary Clinton (oder Kindheit der Clintons)" – mit der Kindheit von Bill Clinton befasst. Dies auch vor dem Hintergrund, dass Hillary Clinton vermutlich die nächste Präsidentin der USA werden wird und mit ihr Bill Clinton als Ehemann und sehr gewichtiger, wie auch einflussreicher Berater an ihrer Seite erneut ins Weiße Haus einziehen würde. Ich möchte gleich eines vorwegnehmen: Bill Clinton hätte meiner Meinung nach niemals Präsident der USA werden dürfen!
In einer Beschreibung meines Blogs und über meine Person habe ich unter „Positionierung“ folgendes (auch mit Bezug auf Politiker) geschrieben: „Ich bin trotz aller deutlichen Worte immer dafür, Menschen nach ihrem Verhalten zu beurteilen. Ich habe schon diverse absurde Vorschläge gelesen, z.B. von einem psychologischen Zwangstest für Politiker (wo man sich dann außerdem auch fragen muss, wie viel Macht einzelnen Gutachtern zukommt) …" Diese und weitere Ausführungen unter meiner „Positionierung“ halte ich weiterhin grundsätzlich für richtig. Allerdings muss ich im Fall von Bill Clinton etwas ergänzen. Seine Kindheit war derart destruktiv, derart von massiver und häufiger Gewalt, Vernachlässigung, Lüge, Suchtverhalten, Manipulationen und Missbrauch bestimmt, dass ein verantwortlicher Mensch Bill Clinton im Wissen um seine Hintergründe und trotz seiner politischen Begabungen (und einem IQ von 137) andere Wege hätte einschlagen sollen, als das Ziel in Angriff zu nehmen, politisch ganz weit vorne mitzubestimmen. Seine Kindheitsgeschichte ist so heftig, dass dies alleine – ohne zuvor sein politisches Verhalten erlebt zu haben – ausgereicht hätte, Clinton von diesem Weg abzuraten. Mehr noch: Seine Kindheit hätte spätestens während seiner Nominierung Thema werden müssen, damit sich die Wählerschaft ein Bild hätte machen können. Gleichzeitig macht mir dies auch ein Stück weit Bauchschmerzen, weil Psychologisierungen im Vorfeld auch Ungerecht sein können und Raum für böse politische Spielchen geben. Aber, wie gesagt, seine Kindheit war nun mal nicht einfach „irgendwie destruktiv“ und „unglücklich“, sondern ein jahrelanger Alptraum. Das ist dann schon etwas, was gesondert betrachtet gehört, wenn ein Mensch sich anschickt, der mächtigste Mann der Welt zu werden.    

 Was mir als Erstes ins Auge fiel bei der Durchsicht seiner Autobiografie war die Widmung: „Für meine Mutter, die mir die Liebe zum Leben geschenkt hat.“ (Clinton 2004, S. 5) Danach folgen weitere Familienmitglieder. Dieser erste Satz ist ganz und gar erstaunlich, wenn man sich die Fakten vor Augen hält, die Clinton im Buch ausführt und die ergänzend durch andere Quellen belegt sind. Fangen wir von vorne an:

Bill war etwa ein Jahr alt, da verließ ihn seine Mutter und zog nach New Orleans. Sie wollte sich zur Anästhesieassistentin weiterbilden. (ebd., S. 15) Bill blieb bei den Großeltern (mütterlicherseits), bis er vier Jahre alt war. „Meine Großmutter und ich fuhren in dieser Zeit zweimal mit dem Zug nach New Orleans, um meine Mutter zu besuchen.“ (ebd., S. 16) Seinen biologischen Vater hat Bill Clinton nie kennengelernt, er starb kurz vor seiner Geburt. 1950 heiratete seine Mutter Roger Clinton mit dem Bill und seine Mutter zukünftig zusammenlebten und den Bill fortan „Daddy“ nannte.  (ebd.,  S. 30)
Bill Clinton fängt einen Absatz damit an zu beschreiben, dass sein Stiefvater Roger ihn und auch seine Mutter wirklich liebte. Die Selbstzweifel des Stiefvaters und seine Trinkerei wären das Problem. Und dann folgt auf den Schlag die heftigste Schilderung über seinen gewalttätigen Stiefvater: „Sein selbstzerstörerischer Alkoholismus gipfelte eines Abends in einem Streit mit Mutter, den ich nie vergessen werde. Mutter wollte meine Urgroßmutter, die im Sterben lag, im Krankenhaus besuchen. Daddy wollte das aus irgendeinem Grund verhindern. Ich hörte, wie sie sich im Schlafzimmer anschrien. Ich weiß nicht mehr, ob ich meiner Mutter helfen wollte; jedenfalls ging ich in den Flur hinaus und zum Schlafzimmer. Gerade, als ich in der Tür stand, zog Daddy eine Pistole hervor und schoss in Mutters Richtung. Die Kugel schlug zwischen ihr und mir in der Wand ein. Ich war fassungslos und völlig verängstigt. (…) Mutter packte mich und lief mit mir über die Straße zu den Nachbarn, die die Polizei riefen. Ich sehe Daddy noch vor mir, wie er kurz darauf in Handschellen abgeführt wurde. Er musste die Nacht im Gefängnis verbringen.“ (ebd., S. 32+33)
Gleich darauf meint Clinton, dass er sich sicher sei, sein Stiefvater hätte seine Mutter oder ihn damals keinen Schaden zufügen wollen, dies hätte dieser nicht verkraftet. Bill Clinton umrahmt diese erschütternde Szene also mit Idealisierungen seines Stiefvaters und entschuldigt ihn auch noch, was klassisch ist bzgl. Kindern, die elterlichen Machtmissbrauch und Misshandlungen erleben. 

An einer anderen Stelle in seinem Buch berichtet Bill Clinton über eine weitere besonders heftige Szene. Er berichtet zunächst davon, dass er selbst mit "Geheimnissen" aufwuchs, die in „Daddys Alkoholabhängigkeit und den Misshandlungen, die er unserer Familie angedeihen ließ“ wurzelten. (ebd., S. 66) Und dann berichtet er von einem Erlebnis im Alter von vierzehn Jahren: „Eines Abends schloss Daddy die Schlafzimmertür und begann Mutter anzuschreien. Dann schlug er sie. (…) Ich holte einen Golfschläger und stieß die Schlagzimmertür auf. Meine Mutter lag auf dem Boden. Daddy stand über ihr und schlug auf sie ein. Ich schrie ihn an, wenn er nicht sofort aufhöre, werde ich ihm die Seele aus dem Leib prügeln. Er hielt inne, starrte mich irritiert an, sank in sich zusammen und ließ sich in einen Sessel fallen, wo er mit gesenktem Kopf sitzen blieb. Es machte mich krank.“ (ebd., S. 67) Dieser Schilderung hängt er wieder Gedanken über seine „Geheimnisse“ an. Der Winkel der Seele, wo wir ein Geheimnis aufbewahren „kann sich in einen Abgrund verwandeln, wenn die Geheimnisse zu einer schweren Bürde werden. Und das geschieht insbesondere, wenn ein Gefühl der Scham damit verbunden ist (…). Unsere Geheimnisse können unser Leben so sehr bestimmen, dass wir uns ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen können. Ohne diese Geheimnisse wüssten wir nicht mehr, wer wir sind.“ (ebd., S. 68)

Clinton beschreibt eine dritte Misshandlungsszene, die er erneut mit einer Idealisierung beginnt:
Wie die meisten Alkoholiker und Drogenabhängigen, die ich kennen gelernt habe, war Roger Clinton im Grunde ein guter Mensch. Er liebte seine Frau, mich und den kleinen Roger.“ (ebd., S. 73) Clinton beschreibt dann, wie er kürzlich eine Akte über das Scheidungsverfahren seiner Mutter gelesen hatte. Darin stand auch eine Zeugenaussage von ihm, als er ein Jugendlicher war. Er hatte damals einen Anwalt angerufen, der wiederum die Polizei verständigt hatte. Die Polizei nahm Roger Clinton daraufhin in Gewahrsam. „Ich hatte in meiner Aussage erklärt, er habe mir Prügel angedroht, als ich ihn davon abhielt, Mutter zu misshandeln. Dass er auf mich losgehen wollte, war eigentlich lächerlich, da ich zu jener Zeit bereits größer und stärker war als er. Beide Vorfälle hatte ich vergessen. Für Experten ein typisches Phänomen in Familien von Alkoholikern, die weiter mit dem Süchtigen zusammenleben. Meine Erinnerungen belieben 40 Jahre lang verschüttet.“ (ebd., S. 73)
Dem Psychologen John D. Gartner nach – der eine psychologische Biografie über Bill Clinton geschrieben hat – führte Roger Clinton Senior eine „Terrorherrschaft“ und schlug regelmäßig seine Frau und auch Roger Junior, den Halbruder von Bill. Roger Junior erinnert sich daran, dass seine Mutter mit ihm und Bill viele Abende aus dem Haus floh und in einem Motel übernachtete.  (Gartner 2008, Kapitel 4. „The Three Stages Of  Roger. Stage 1. Repeating Abuse“, Position 2215.)
Eine andere Quelle weist darauf hin, dass auch Bill Clinton von seinem Stiefvater körperlich misshandelt wurde. (Marranis 1998, Kapitel „Ten“, Position 564)

Nun, was für ein Mensch Roger Clinton war, scheint deutlich zu sein. Doch auch die Mutter von Bill, Virginia, scheint kein guter Ausgleich gewesen zu sein. Sie selbst zeigte Suchtverhalten, rauchte Kette und trank exzessiv Alkohol. Bereits Virginias Vater Eldridge - Bills Großvater, bei dem er die ersten Jahre aufwuchs – hatten einen ungesunden Bezug zu Alkohol, den er – damals illegal – in seinem Lebensmittelgeschäft verkaufte, selbst oft trank und seine Tochter im Alter von zwölf Jahren mit Whiskey vertraut machte.  (Gartner 2008, Kapitel „Like Mother, Like Son“ - „The Family Drama“, Position 448-456) Virginia hatte eine schwierige Kindheit. Ihre Mutter Edith – Bills Großmutter - war impulsiv und ging verächtlich mit ihrem Mann Eldridge um, beschimpfte diesen, schrie ihn an, schlug ihn oder warf Dinge nach ihm. Diese destruktiven Streitereien – oftmals nachts, wie sich Virginia erinnert – gingen über Jahre. (ebd., Position 397-406) Später erinnert sich Virginia, wie sie sich damals wünschte, ihr Vater würde einmal zurückschlagen, was er nie tat. (ebd., Position 561) Auch Virginia wurde Opfer ihrer Mutter, die ihre Tochter beständig kritisierte, kontrollierte und eine Peitsche nutzte, um sie zu prügeln. (Maraniss 1995, S. 22) Lloyd deMause ist sich sicher, dass Edith auch Bill körperlich misshandelte, während sie in seinen ersten Lebensjahren für ihn verantwortlich war. (deMause 2000, S. 78) Dafür gibt es allerdings, sofern man seinen Quellen folgt, keine Belege. Was ich allerdings ebenso wie deMause für wahrscheinlich halte ist, dass der kleine Bill im Haus seiner Großeltern keine unbeschwerte Kindheit erlebt hat. Dafür gibt es zu viele Hinweise auf enorm destruktive Verhaltensweisen der Großeltern.

Über den Erziehungsstil, den Virginia gegenüber Bill anwandte, ist wenig bekannt. Fakt ist, dass sie jahrelang an der Seite ihres gewalttätigen Mannes, den sie sogar zweimal heiratete, ausharrte, mit allen Konsequenzen für ihre Kinder. Eine gewalttätige Familie hatte sie selbst erlebt, ebenso Alkoholmissbrauch; sie kannte es gar nicht anders. Insofern komme ich noch einmal zu meiner Einleitung zurück. „Für meine Mutter, die mir die Liebe zum Leben geschenkt hat.“, die ersten Worte in Bill Clintons Autobiographie. Sie machen nur Sinn, wenn man sich in das Kind hineinversetzt, das Bill einst war. Was wäre, wenn er – neben Roger - auch seine Mutter so betrachten würde, wie sie war, mit all ihren eigenen destruktiven Anteilen? Unerträglich für ein Kind, denn dann wäre es bitter alleine auf der Welt und ohne Hoffnung. Das Kind muss sich also blind gegenüber der Wahrheit machen, mit allen Folgen, die sich daraus für die eigene Psyche und das spätere Leben ergeben können.
Es gibt allerdings auch noch ein weiteres dunkles Kapitel, dass erst kürzlich in die Öffentlichkeit drang. Die bekannte Journalistin und Autorin Lucinda Franks hat in ihren Memoiren aus dem Jahr 2014 Auszüge aus einem im Jahr 1999 mit Bills Ehefrau, Hillary Clinton, geführtem Interview veröffentlicht, welche sie bisher zurückgehalten hat. Hillary sagte darin, dass Bill von seiner Mutter missbraucht worden sei, wobei sie nicht ins Detail gehen wollte. Hillary Clinton betonte aber die negativen Folgen: „He was abused. When a mother does what she does, it affects you forever.“  (Franks 2014, Kapitel 22, Position 5034.)

Lloyd deMause (2000) sieht zwischen der extrem schweren Kindheit Clintons und dem späteren kriegerischen und destruktivem Agieren als US-Präsident (vor allem der Bombardierung Ex- Jugoslawiens, sowie dem Festhalten an den Iraksanktionen, was hunderttausenden irakischen Kindern das Leben kostete *) einen deutlichen Zusammenhang, was er ausführlich in einem Artikel darstellt. Ich kann mich dem nur anschließen. Und ich wiederhole, dass ein Mensch, der derart destruktiv als Kind aufgewachsen ist, nicht Präsident der USA hätte werden dürfen. Nun, demnächst wird Bill Clinton wohl erneut im Weißen Haus zu sehen sein. Mal sehen, welchen Einfluss er dort ausüben wird, vermutlich keinen guten.




* Ergänzender Hinweis: In einem Text für die "Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit" schrieb Dr. Heinz Gmelch unter dem Titel "Die drei Golfkriege": "Seit 1991 sind nach Schätzungen internationaler humanitärer Organisationen rund 1,5 Millionen Iraker, darunter über 550 000 Kinder unter fünf Jahren, den Folgen dieser Wirtschaftssanktionen zum Opfer gefallen - durch Mangelernährung und unzureichende medizinische Versorgung. Das entspricht rund sieben Prozent der irakischen Bevölkerung. Hans Graf von Sponeck, Leiter des UN-Hilfsprogramms für den Irak, trat im Februar 2000 aus Protest gegen die Folgen der Wirtschaftssanktionen von diesem Posten zurück. Er warf den Vereinten Nationen sogar Völkermord vor."




Quellen:

Clinton, B. (2004): Mein Leben. Econ Verlag, Berlin.

deMause, L. (2000): Die phallische Präsidentschaft: Die Clinton-Skandale und der Krieg gegen Jugoslawien als Reinigungs-Kreuzzüge. In: Janus, L. & Kurth, W. (Hrsg.): Psychohistorie, Gruppenphantasien und Krieg (S. 77– 82). Mattes Verlag, Heidelberg.

Franks, L. (2014): Timeless: Love, Morgenthau, and Me. Sarah Crichton Books, New York. Kindle E-Book Edition.

Gartner, J. D. (2008): In Search of Bill Clinton: A Psychological Biography. St. Martin's Press, New York. Kindle E-Book Edition.

Maraniss, D. (1995): First in His Class: The Biography of Bill Clinton. Simon & Schuster, New York. Kindle E-Book Edition.

Maraniss, D. ( 1998): The Clinton Enigma: A Four and a Half Minute Speech Reveals This President's Entire Life. Simon & Schuster, New York. Kindle E-Book Version.

Donnerstag, 12. August 2010

Bill Clinton. "Dämonen" im Kopf und sanktionierter Massenmord

Meinen Beitrag "Bill Clinton. Kindheit und Kriegsführungspersönlichkeit" möchte ich noch mit ein paar Zeilen ergänzen:

Bill Clinton wurde 1999 der deutsche Medienpreis verliehen. „In der Begründung der Jury wird Clinton als Präsident beschrieben, der die globale Macht seines Landes und den Einfluss seines Amtes genutzt habe, um Unterdrückung und Missachtung von Menschenrechten als Unrecht aufzuzeigen. Als 42. Präsident der USA habe er, mehr als seine Vorgänger, die Welt als globale Gemeinschaft gesehen mit einer kollektiven Verantwortung kriegerische Konflikte zu beenden.http://www.deutscher-medienpreis.de/index.php?id=1999|content|index (Die prominente Jury bestand aus 20 Chefredakteuren deutscher Zeitungen, Zeitschriften und TV-Sendern)

Im Angesicht der unzähligen militärischen Operationen (siehe meinen o.g. Beitrag) während seiner Amtszeit ist diese Verleihung höchst fragwürdig. Bill Clinton führte auch das gegen den Irak verhängte Embargo nach seinem Amtsantritt strickt weiter. Das Embargo begann kurz nach Ende des Krieges im Jahr 1991. Anfang 2003 wurde Bill Clinton US-Präsident. Er ist somit hauptsächlich für den durch die Sanktionen bedingten Tod von unzähligen Menschen im Irak (darunter sehr viele Kinder) verantwortlich.

In einem Jahresbericht 2001 stellte UNCEF fest, dass zwischen 1990 und 2000 die Kindersterblichkeit im Irak um 160% anstieg, die höchste Steigerungsrate unter allen Ländern der Welt. Im Jahre 1998 war fast jedes vierte Baby, wegen Unterernährung der Mutter, auch untergewichtig. 2001 waren 22.1% der Kinder, jedes fünfte Kind, körperlich zurückgeblieben, was auf chronische Mangelernährung oder akute Unterernährung zurückzuführen ist. (AlSammawi, Faris 2006: (Dissertation) "Die UN-Sanktionen gegen Irak und deren Auswirkungen auf die Bevölkerung von 1990 bis 2003". Köln.)
Seit 1991 (per. Anmerkung: bis 2003) sind nach Schätzungen internationaler humanitärer Organisationen rund 1,5 Millionen Iraker, darunter über 550 000 Kinder unter fünf Jahren, den Folgen dieser Wirtschaftssanktionen zum Opfer gefallen - durch Mangelernährung und unzureichende medizinische Versorgung. Das entspricht rund sieben Prozent der irakischen Bevölkerung.“ (http://www.km.bayern.de/blz/web/irak/golfkriege.html) Ander Schätzungen gehen von bis zu 1,5 Million toter Kinder aus. (vgl. Büttner, C. 2004: Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten: Lebensumstände und Bewältigungsstrategien. Campus Verlag, Frankfurt/Main, S. 234) Siehe ergänzend auch: Untersuchungsberichte von UN- und anderen Hilfsorganisationen über die Auswirkungen des Embargos
Als Madeleine Albright (erste Frau im Amt der Außenministerin in den USA 1997-2001 unter Bill Clinton) am 20.05.1996 gefragt wurde, ob der Tod der vielen irakischen Kinder durch die Sanktionen, die eigentlich Saddam Hussein schwächen sollten, nötig wäre, antwortete sie: „Ich denke, es ist eine sehr schwere Wahl, aber der Preis, wir denken, es ist den Preis wert.“ (zit. nach deMause, 2005, S. 38) (Original: "This is a very hard choice, but we think the price is worth it.”) Zu diesem Zeitpunkt war sie noch US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen. Die Regierung Clinton befand sich derzeit im Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl am 05.11.2006 und ihr möglicher Posten als Außenministerin wird sicherlich schon fest eingeplant gewesen sein. Sie gehörte also zum engsten Führunsstab der Regierung Clinton. Mit "wir" wird Albright vor allem auch Clinton gemeint haben. (nebenbei entlastet das "wir" von der Verantwortung...)
Ich habe bisher keine Äußerungen von Bill Clinton finden können, in denen er sein Bedauern zum Ausdruck brachte und die Iraker um Entschuldigung bat. Dieses Embargo, schrieben die US-Wissenschaftler Noam Chomsky und Edward Said, sei „keine Außenpolitik“, sondern „sanktionierter Massenmord“. (vgl. Büttner, 2004, S. 234) Und in der Tat war Bill Clinton für den massenhaften Tod von Menschen verantwortlich.

Vor den US-Präsidentschaftswahlen im Jahre 2000 führte Amy Goodman ein interessantes spontanes Interview mit Bill Clinton. Clinton wies darin alle Verantwortung bzgl. des Embargos von sich:
AMY GOODMAN: President Clinton, UN figures show that up to 5,000 children a month die in Iraq because of the sanctions against Iraq.
PRESIDENT CLINTON: (Overlap) That’s not true. That’s not true. And that’s not what they show. (…)
Anschließend gibt er Saddam Hussein die Schuld am Leid der irakischen Bevölkerung und sagt, dass Hussein mehr Geld zur Verfügung gestanden hätte, als vor dem Krieg und den Sanktionen. „He has more money today than he did before the embargo, and if they’re hungry or they are not getting medicine, it is his own fault.“
Ein Artikel in ”der Freitag” macht deutlich, dass Clinton hier nicht die Wahrheit sagte.
Hans Graf von Sponeck, der ab 1998 das Programm Oil for Food leitete und im Februar 2000 aus Protest von seinem Amt zurücktrat, hat mit detaillierten Aussagen aufgedeckt, dass die USA und Großbritannien die Weltöffentlichkeit bzgl. der Sanktionspraxis manipulierten. In der Weltöffentlichkeit wurde die Darstellung lanciert, „der irakische Diktator behindere das Oil for Food-Programm und beschaffe sich mit den entsprechenden Einnahmen neue Waffen und Paläste. Wie Hans von Sponeck belegt, wurde diese Version 1999 in einer Studie des US-Außenministeriums vertreten und dank einflussreicher US-Medien weltweit kolportiert. Gegenteilige Erklärungen, etwa von Caritas, Care und anderen NGO, wonach nicht Saddam, sondern allein die Praxis der Sanktionen die entscheidende Ursache für das Leiden der Iraker seien, wurden ebenso ignoriert wie die Reports des Beauftragten von Sponeck an den UN-Generalsekretär.“ Und „Jahrelang haben westliche Regierungen und Medien, ebenso die Öffentlichkeit (auch wir selbst), an das Märchen geglaubt, es sei Saddam Hussein, der die Gelder aus dem Programm Oil for Food für die Rüstung abzweige und dafür vorsätzlich den Tod Hunderttausender Iraker in Kauf nehme. Tatsächlich jedoch war sein Regime dank der strengen UN-Kontrollen zu einer solchen Zweckentfremdung der Gelder nie in der Lage.
Madeleine Albright hat dagegen deutlich gemacht, dass der Tod der zivilen Bevölkerung bewusst durch die US-Regierung in Kauf genommen wurde. Bei dieser Gelegenheit krampte ich das Buch „Stupid White Men“ von Michael Moore (2002) aus dem Keller. Dessen Sprache liegt mir nicht mehr, aber folgende Passage bzgl. Clintons destruktiver Umweltpolitik möchte ich hier zitieren: Bill Clinton „hat festgestellt, dass etwas sagen praktisch das Gleiche ist wie etwas tun. Wenn man sagt, man sei für eine saubere Umwelt, dann reicht das völlig aus – man brauchte nichts weiter zu tun für eine saubere Umwelt. Man könnte sie sogar ungestraft noch stärker verschmutzen, und die meisten Menschen würden das gar nicht merken.“ (S. 266)
Und so ähnlich verhielt es sich wohl auch mit dem Irak (und auch Jugoslawien). Clinton sagte: „Ich tue das für das Volk der Iraker, für die Menschen auf dem Balkan. Wir sind die Guten. Wir sind für Frieden und Freiheit. Deshalb bombardieren wir Euch und deshalb bekommt ihr nichts zu essen.“ Bill Clinton, so scheint es, hat eine Scheinpersönlichkeit aufgebaut (siehe auch Anmerkungen zu seiner Kindheit im vorherigen Beitrag). Und die Menschen wollten es ihm glauben. Das ist das absurde Zusammenspiel vom emotional Delegierten und dem Volk. Letztlich hat er auch seit Kindheit an lernen müssen, die Augen vor Realitäten, vor eigenem Schmerz und Qualen zu verschließen. Für das Leid Anderer scheint er ebenfalls blind zu sein.


Die Auszeichnungen (davon einige in Deutschland), die Clinton erhielt, sind ein Skandal. Ebenso unverstänlich ist, dass er weiterhin salonfähig ist, diverse Ämter inne hatte und weiterhin als Redner international gefragt und hoch bezahlt ist.

Samstag, 13. August 2016

Kindheit von Hillary Clinton (oder Kindheit der Clintons)

(aktualisiert am 09.11.2016)

Vor über einem Jahr recherchierte ich etwas im Internet und versuchte etwas über die Kindheit von Hillary Clinton herauszufinden. Ich fand nicht viel. Vor allem aber fiel mir auf, dass Frau Clinton routinemäßig schwärmerisch über ihre Mutter berichtete. Ich beließ es zunächst bei diesen Erkenntnissen.
Ich plante nun vor Kurzem einen Text, in dem ich den Bogen zu einem Thema spannen wollte, das ich im Blog bisher nicht explizit besprochen habe. Und zwar ist mir immer wieder (sowohl im Leben/Alltagserfahrungen, als auch in Büchern und Berichten, aber auch durch die Arbeit von Lloyd deMause) aufgefallen, dass sich Menschen oftmals gruppieren, die ähnliche Kindheiten durchgemacht haben (meist ohne bewusst darum zu wissen). Das gilt natürlich für extremistische Gruppen etc. oder Führungsapparate, teils vielleicht auch für Unternehmen, besonders auffällig aber auch bei Paaren.

Mein geplanter Text sollte die Frage enthalten, was es denn wohl ist, das Hillary Clinton und ihren Mann Bill Clinton verbindet? Bill Clinton ist als Kind nachweisbar schwer misshandelt und vernachlässigt worden, zudem erlebte er schwere häusliche Gewalt gegen seine Mutter mit, bis hin zu Tötungsversuchen (und es sieht so aus, als ob er dies nie aufgearbeitet hätte). Seine Kindheit war derart destruktiv, dass er auch in den USA zu einem kleinen Prozentsatz von Menschen gehört, die so einen Kindheitsalptraum erlebt haben. Meine nächste Frage hätte gelautet: Kann es sein, dass die Kindheit von Hillary wirklich so rosig war, wie es nach ersten Recherchen und ihren eigenen Aussagen nach erscheint? Oder gibt es da nicht doch eine dunkle Seite? Ich hätte wohl auch spekuliert, dass ich es für sehr unwahrscheinlich halte, dass jemand, der als Kind Glück, Liebe und Geborgenheit erlebt hat, sich in einen als Kind schwer traumatisierten Mann verliebt und diese Ehe Jahre hält. Dieser Satz klingt vielleicht hart, soll aber keine Abwertung von traumatisierten Menschen sein, sondern einfach die Dinge beschreiben, wie sie nun mal nach meiner Wahrnehmung wahrscheinlich oder entsprechend unwahrscheinlich sind. Ergänzend hätte ich angefügt, dass Hillary Clinton auf mich nicht gerade echt und menschlich wirkt und sie in der Vergangenheit durch destruktive Entscheidungen wie u.a. ihrem Ja zum Irakkrieg oder ihren Einsatz für den Krieg in Libyen und die Tötung von Gaddafi (was sie lachend mit den Worten "We came, we saw, he died" kommentierte) aufgefallen ist.

Nun, einen ausführlichen Text zum Thema „Menschen mit ähnlichen Kindheiten gruppieren sich“ muss ich noch mal nach hinten schieben. Wobei, im Fall des Paares Clinton bestätigt sich diese These nach einem neuen Rechercheansatz von mir nun doch. Einem Bericht der New York Times (19.07.2015) nach, herrschte in Hillarys Kindheit ein rauer Ton, Strenge und straffe Regeln in der Familie. Ihr Vater weckte seine Tochter auf, wenn sie schlecht in Mathe war und nahm sie in die Mangel, in dem er sie rechnen ließ. Und zu gute Leistungen kommentierte er mit „You must go to a pretty easy school.“ (ebd.) Wenn Hillary vergaß, den Deckel auf die Zahnpastatube zu schrauben, warf ihr Vater die Tube aus dem Fenster, auch im Winter und Hillary musste sie suchen. Gegenüber seiner Frau und den Kindern war der Vater zudem beißend sarkastisch. Und er war gewalttätig und schlug seine Kinder. „He hurled biting sarcasm at his wife and his only daughter and spanked, at times excessively, his three children to keep them in line, according to interviews with friends and a review of documents, Mrs. Clinton’s writings and former President Bill Clinton’s memoir.“ (ebd.) In deutscher Sprache hat meines Wissens nach nur die BILD (20.07.2015) diese Dinge aufgegriffen.

In der amerikanischen Dokumentation "Amerika hat die Wahl - Clinton gegen Trump" (von Michael Kirk, ausgestrahlt auf ARTE TV am 01.11.2016) wurde gesagt, dass die Mutter von Hillary unter ihrem Mann litt. Er beleidigte sie und ging respektlos mit ihr um. Es gab oft Streit im Hause der Familie. Carl Bernstein, Autor von  „ Hillary Clinton - Die Macht einer Frau“, sagt in der Doku: „Wenn er ihre Mutter in einem lauten Streit demütigte, lief Hillary in ihr Zimmer, hielt sich die Ohren zu und sagte: `Ich ertrag das nicht.`“ In der Dokumentation "Macht, Geld, Lügen. Clinton gegen Trump" (von Daniel Pontzen - ausgestrahlt im ZDF am 08.11.2016) kommt wieder Carl Bernstein zu Wort. Er sagt: "Hillarys Vater war ein schwieriger und sturer Mann, ein Menschenfeind, der die Mutter körperlich misshandelte." (Ebenso erlebte es Bill Clinton in seiner Familie bzgl. seines Stiefvaters, der seine Mutter misshandelte.)
Das zuvor erwähnte Buch von Bernstein gibt weitere vertiefende Einblicke oder besser gesagt: es legt Abgründe offen. „Hugh Rodham war ein bitterer, unerfülter Mann, dessen Kinder seinen unablässigen, herabsetzenden Sarkasmus und seiner misanthropischen Neigungen ertragen, seinen peinlichen Hang zur Sparsamkeit erdulden und schweigend hinnehmen mussten, wie er ihre Mutter demütigte und erniedrigte.“ (Bernstein  2007, S. 23) Die Beziehung der Eltern habe „geradezu krankhaft zerstörerische Züge“ gehabt, so Bernstein. (ebd., S. 24) Die destruktiven Verhaltensweisen von Hugh scheinen beständig zugenommen zu haben. Bernstein schreibt: „Als Hillary ins Teenageralter kam, schienen die schlechten Charakterzüge ihres Vaters endgültig die Oberhand gewonnen zu haben: Er konnte sich für fast nichts mehr begeistern und verlor jede Heiterkeit, während seine tyrannischen Ausfälle, seine schlechte Laune, die Klagelitaneien und seine Niedergeschlagenheit immer mehr zunahmen und er sich immer tiefer darin verstrickte.“ (ebd., S. 25) und „Das Leben im Hause Rodham hatte gewisse Ähnlichkeit mit einem militärischen Ausbildungslager, über das ein Spieß herrschte, der seine Schützlinge ständig heruntermachte und den man unmöglich zufriedenstellen konnte.“ (ebd., S. 27) Hugh „putzte jeden herunter, redete vollbrachte Leistungen klein, ignorierte Erfolge und legte die Latte für seine frustrierten Kinder immer höher, eine Methode, die er als `Charakterbildung` bezeichnete.“ (ebd., S. 27+28)

War seine Wut einmal geweckt, so war er furchterregend, und manchmal hatte es den Anschein, als könnte der ganze Haushalt jeden Augenblick bersten. Betsy und die wenigen Freundinnen, die Hillary mit nach Hause brachte, konnten sehen, wie schmerzlich erniedrigend das Leben mit Hugh Rodham für die Mutter war und dass Hillary unter den Wutausbrüchen ihres Vaters zusammenzuckte und unter seinem Geiz litt.“ (ebd., S. 29) Hillary, berichtet Bernstein, strengte sich furchtbar an, um einmal Anerkennung aus dem Munde ihres Vaters zu bekommen, wohl vergebens. (Mir kommt es so vor, als ob Hillary Clinton dies während ihrer politischen Karriere wiederholte. Sie war oft „nicht geliebt“, so sehr sie auch leistete, sich einbrachte und an Macht gewann. Zugespitzt zeigt sich dies im aktuellen Wahlkampf. Selbst wenn sie gewinnen sollte, sie scheint einfach ungemein unbeliebt in den USA zu sein.)
Die Wut des Vaters konnte auch handfester werden. Bernstein zitiert Hillary wörtlich bzgl. gewaltsamen Übergriffen auf die Kinder. Ihr Vater habe nicht mit der Rute gespart und an anderer Stelle sagte sie: „Gelegentlich ging es mit ihm durch, wenn er uns bestrafte. Dann brüllte er lauter oder griff insbesondere gegenüber meinen Brüdern zu härteren körperlichen Strafen (…). Doch selbst wenn er wütend war, zweifelte ich nie daran, dass er mich liebte.“ (ebd., S. 36+37) (Ihr Ehemann Bill Clinton idealisierte seinen gewalttätigen Vater genauso, wenn er über  (mit-)erlebte Misshandlungen berichtete, wieder eine Parallele.)

Ergänzend nahm ich die Autobiografie „Gelebte Geschichte“ von Hillary Rodham Clinton (2003) zur Hand. Hillary selbst beschreibt ihre Eltern wie folgt: „Hugh und Dorothy waren überzeugt davon, dass wir Härte brauchen würden, damit wir uns später auch unter widrigen Bedingungen behaupten könnten.“ (Rodham Clinton 2003, S. 28)
Bei all ihren Schilderungen über ihre Eltern fiel mir immer wieder auf, dass sie diesem Satzkonstrukt sinngemäß wie folgt treu blieb: „Härte? Ja. Aber nur zu meinem Besten! Meine Eltern lieben mich.“ Kritik gegenüber ihren Eltern und deren Erziehungsmaßnahmen findest man nicht in ihrer Autobiografie. Diese Sichtweise ist nicht ungewöhnlich, sondern ganz im Gegenteil geradezu klassisch für Kinder (und die später Erwachsenen), die destruktive Erziehungsmaßnahmen erlitten haben. Oft habe ich im Blog darüber berichtet. (Am Besten hat diesen Prozess der Identifikation mit dem Aggressor Arno Gruen beschrieben.)

Hillary gibt ein Beispiel über ihre Mutter Dorothy. Hillary wurde oft von einem Nachbarsmädchen gehänselt und belästigt, kam manches Mal weinend nach Hause. Sie war gerade mal vier Jahre alt. Ihre Mutter versperrte ihr eines Tages, an dem Hillary wieder einmal nach Hause geflüchtet war, den Weg und schickte sie raus. Sie gab ihr die Erlaubnis, sich gegen das Mädchen zu verteidigen, auch mit Gewalt. „Du musst lernen, dich zu verteidigen. In diesem Haus ist kein Platz für Feiglinge“, sagte sie. (ebd., S. 28)
Diese Szene wird von Hillary idealisiert. Sie nahm sie als Lehre dafür, Auseinandersetzungen nicht aus dem Weg zu gehen und Stärke zu zeigen. Und sie verbucht sie als Erfolg, denn ab dem Tag – denn das vier Jahre alte Mädchen ging kämpferisch zu der Peinigerin zurück - wurde sie nicht mehr gehänselt und sogar Freundin des Mädchens. Ihre Mutter habe sich nach diesem Rausschicken der Tochter eigenen Angaben zu Folge schrecklich gefühlt und aus dem Fenster heraus beobachtet, wie die Tochter nach Gegenüber marschierte.
In diesem Bericht ist alles enthalten, um was es mir geht. Eine Mutter, die als mitfühlend dargestellt wird und ihre Härte nur zum Wohle des Kindes einsetzen würde. Um es gleich klarzustellen: Mich freut es für Hillary, dass das Ganze damals gut ausging. Zudem bin ich ganz dafür, Mädchen wie Jungen auch Wehrhaftigkeit mit auf dem Weg zu geben. (Ich als Elternteil von einem vier Jahre alten Mädchen hätte die Situation allerdings anders gelöst und wäre als Erwachsener zu den Nachbarn gegangen, um dort zu reden und ggf. auch auf den Tisch zu hauen. Wie auch immer.) Mir geht es um den Satz: „In diesem Haus ist kein Platz für Feiglinge.“ Mit dem Wissen um weitere (teils oben angerissene) Details aus der Familie und ihren Erziehungsvorstellungen, wird hier zentral deutlich, dass dem Mädchen keine Wahl gelassen wurde: Friss oder stirb; Leistung oder wir lassen Dich fallen; Härte bewundern wir, ansonsten gehörst Du nicht zu uns, Feigling...

Sehr ausführlich beschreibt Hillary übrigens die Kindheit ihrer Mutter. Diese wurde schon sehr früh von ihren Eltern sich selbst überlassen. Sie bekam im Alter von drei oder vier Jahren Essensmarken für ein Restaurant in der Nähe, statt Mahlzeiten zu Hause. Zusammen mit ihrer Schwester wurde sie in der Verwandtschaft herumgereicht und war oft alleine. Als sich die Eltern scheiden ließen, wurde die achtjährige Dorothy zusammen mit der dreijährigen Schwester in einen Zug gesetzt und beide reisten alleine quer durch die USA zu den Großeltern nach Kalifornien.
Meine Mutter blieb zehn Jahre in Kalifornien. Ihren Vater sah sie selten, die Mutter nie. Der Großvater Edwin senior (…) überließ die Mädchen seiner Frau Emma, einer strengen Person (…). Sie hegte eine tiefe Abneigung gegen meine Mutter und ließ ihr nur dann Aufmerksamkeit zuteil werden, wenn es darum ging, ihre strikten Hausregeln durchzusetzen. (…) Als das Mädchen sich einmal an Halloween über die strengen Regeln hinwegsetzte und mit den anderen Mädchen von Tür zu Tür ging, um Süßigkeiten zu erbitten, wurde sie hart bestraft. Sie sollte ein Jahr lang auf ihrem Zimmer bleiben, das sie nur verlassen durfte, um zur Schule zu gehen. Sie durfte ihre Mahlzeiten nicht am Küchentisch einnehmen und auf dem Heimweg von der Schule nicht trödeln oder im Vorgarten verweilen.“ (ebd., S. 15, 16) Mehrere Monate musste Dorothy dies ertragen, bis eine Verwandte, die zu Besuch kam, das Ganze beendete. Im Alter von vierzehn Jahren verließ Dorothy ihre Großeltern und fand Unterschlupf bei einer Familie, die sie als Hausmädchen anheuerte.

Heute wissen wir viel über die unbewusste Weitergabe von Traumatisierungen an die folgende Generation. Dorothy gehört zu einer Generation, für die Therapie noch ein Fremdwort war. Es ist im Grunde unmöglich, dass eine so heftige (unbearbeitete) Kindheitsgeschichte nicht destruktiv auf ihre Kinder gewirkt hat. Woher sollen Empathie und Wärme kommen, wenn mensch als Kind so alleine gelassen wurde? Sicher erkennt man auch einen Fortschritt, denn sie schaffte es, ihre Kinder nicht alleine zu lassen, Die Ängste vor dem Leben hat sie meiner Meinung nach ganz sicher auf ihre Kinder übertragen. "Werde hart, denn das Leben ist hart", scheint mir die zentrale Botschaft zu sein, die diese Mutter ihren Kindern mit auf dem Weg gab. Ich bin nach den geschilderten Details sehr skeptisch, was schwärmerische Schilderungen von Hillary über ihre Mutter angeht. Ich denke, dass meine Skepsis nachvollziehbar ist.

Auch bzgl. ihrem Vater fallen Idealisierungen ins Auge. Die oben beschriebene körperliche Gewalt gegen die Kinder erwähnt Hillary nicht in ihrer Autobiografie, was schon einmal an sich Einiges aussagt. (Nebenbei bemerkt hat Hillary an einer Stelle auch verraten, dass ihr Vater wohl selbst als Kind Prügel erhielt. Sie berichtet von seinen Erzählungen. Er hatte während eines Ausflugs mit einem Freund einen Unfall mit einem Lastwagen. Seine Beine wurden eingequetscht und die Ärzte wollten sie amputieren. Seine Mutter verhinderte dies, die Beine konnten gerettet werden. Im Krankenhaus verlor er das Bewusstsein. "Als er wieder zu sich kam, hielt seine Mutter an seinem Bett Wache. Sie versicherte ihm, dass seine Beine gerettet seien und dass er eine ordentliche Tracht Prügel beziehen würde, sobald er wieder nach Hause käme." (ebd., S. 18) Unfassbar, einem Kind in einer solchen Situation mit Prügel zu drohen! Offensichtlich hat er später diese körperliche Gewalt an seinen Kindern wiederaufgeführt.)
Hillary schreibt: „Mein Vater war strikt in seinen Auffassungen und ausgesprochen starrköpfig. Sein Wort war in unserem Haus Gesetz, gleich wie extrem (…) seine Ansichten auch sein mochten.“ (ebd., S. 26,27) Oder: „Mein Vater war ein Mann mit Überzeugungen, die er vehement vertrat. In den angeregten und manchmal hitzigen Diskussionen beim Abendbrot ertrug die Familie seine Vorträge, in deren Mittelpunkt meist Kommunisten, dubiose Geschäftsleute oder korrupte Politiker standen – in seinen Augen die drei niedrigsten Lebensformen.“ (ebd., S. 28)

Was ich mit Idealisierung meine, wird an Hand folgenden Zitates deutlich (in dem es um die bereits erwähnte Situation mit der Zahnpastatube geht): „Vergaß eines von uns Kindern, die Verschlusskappe auf die Zahnpastatube zu schrauben, warf mein Vater diese aus dem Fenster, und wir mussten hinausgehen, und sei es bei Schnee, um in den Büschen vor dem Haus danach zu suchen. Auf diese Weise rief er uns immer wieder ins Gedächtnis, dass wir nichts vergeuden sollten, und sei es nur Zahnpasta, die aus einer unverschlossenen Tube quoll. Ich lernte diese Lektion gut. Bis heute gebe ich nicht gegessene Oliven in das Glas zurück, wickle auch den winzigsten Käserest noch in Frischhaltefolie und fühle mich schuldig, wenn ich irgendetwas wegwerfe. Er war ein harter Lehrmeister, aber wir wussten, dass er sich um uns sorgte und alles für uns tun würde.“ (ebd., S. 27)  Es macht mich fast etwas fassungslos, wie deutlich in diesem Zitat die Unterwerfung des Kindes wird, das seine eigene Sicht aufgibt und den (harten, strafenden) Vater idealisiert. Solche Art Sätze habe ich hunderte gelesen im Laufe meiner Beschäftigung mit den Folgen von Kindesmisshandlung und destruktiver Erziehung. Es ist immer das gleiche Muster. Doch wir reden hier über eine der mächtigsten Frauen der Welt und demnächst vielleicht sogar der Mächtigsten, die als Erwachsene immer noch in dieser Zwickmühle zu stecken scheint.  Diese Zwickmühle gilt für alle Kinder von destruktiven Eltern, weil natürlich sind sie auf die Liebe und den Schutz angewiesen. Werden sie von den Eltern verletzt oder bedroht, müssen die Eltern zum eigenen Schutz idealisiert werden. Leider geht dies oftmals auf Kosten der emotionalen Welt. Vielleicht ist genau das die Kälte, die viele Beobachter, wie auch ich, bei Hillary Clinton wahrnehmen?

Einen Tag vor dem Tod ihres Vaters (dieser hatte einen Schlaganfall erlitten und all ihre Gedanken kreisten um ihn in dieser Zeit) hielt Hillary Clinton eine Rede vor 14.000 Menschen. Sie zitierte darin den Politikberater Lee Atwater, der kurz vor seinem Krebstod einen Artikel  über das „spirituelle Vakuum im Herzen der amerikanischen Gesellschaft“ geschrieben hatte, was Hillary hervorhebt. (ebd., S. 214) In ihrer Rede zitierte sie ihn u.a. wie folgt: „Ich erwarb mehr Reichtum, Macht und Prestige als die meisten. Aber man kann alles erwerben, was man sich wünscht, und sich immer noch leer fühlen.“ (ebd., S. 214) Meinte sie damit auch sich selbst?

Insgesamt betrachtet würde ich sagen, dass die Kindheit von Hillary Clinton im Vergleich zu der ihres Mannes weniger destruktiv war. Allerdings wird klar, dass diese beiden Menschen nicht zufällig zusammengefunden haben. Beide verbinden ähnliche Kindheitserfahrungen. Zudem: Ein ähnliches Traumaniveau wie das von Bill vermute ich nach den o.g. Schilderungen auch bei der Mutter von Hillary. Menschen suchen manches mal Partner aus, die der Struktur der Eltern oder eines Elternteils  ähneln und reinszenieren auf die Art die Familiengeschichte.



Verwendete Quellen:

Bernstein, Carl (2007): Hillary Clinton. Die Macht einer Frau. Droemer Verlag, München.

BILD.de, 20.07.2015, "Warum Clinton ungern über ihren Vater spricht"

Pontzen, Daniel: Dokumentation "Macht, Geld, Lügen. Clinton gegen Trump" (ausgestrahlt im ZDF am 08.11.2016)

Kirk, Michael: Dokumentation: Amerika hat die Wahl - Clinton gegen Trump" (ausgestrahlt auf ARTE TV am 01.11.2016)

Rodham Clinton, Hillary (2003): Gelebte GeschichteEcon Verlag, München.

The New York Times, 19.07.2015, "Hillary Clinton Draws Scrappy Determination From a Tough, Combative Father" (von Amy Chozick)

Montag, 9. August 2010

Bill Clinton: Kindheit und Kriegsführungspersönlichkeit

Kürzlich bin ich auf eine Chronologie aller US-Militäreinsätze und Kriege nach dem Zweiten Weltkrieg bis Ende 1999 gestoßen. Ich erinnerte mich dabei an einen Satz von Lloyd deMause: Bill Clinton "hat es in seiner Amtszeit übrigens fertiggebracht, mehr Nationen zu bombardieren als jeder andere Präsident in der US-Geschichte vor ihm." ("Entschärft die menschlichen Zeitbomben", Interview mit Lloyd deMause)
Hier nun die Einsätze und Kriege während Clintons Amtszeit (wobei ihm auch ein paar wenige „vererbt“ wurden, er war vom 20. Januar 1993 bis Anfang 2001 im Amt, militärische Konflikte/Einsätze, die mit einem Datum vor dem 20. Januar 1993 aufgeführt werden, wurden von Clinton weitergeführt):

Operation "Distant Runner": Ruanda, 9. April 1994 bis 15. April 1994
Operationen "Quiet Resolve"/"Support Hope": Ruanda, 22. Juli 1994 bis 30. September 1994
Operation "Uphold/Restore Democracy": Haiti, 19. September 1994 bis 31. März 1995
Operation "United Shield": Somalia, 22. Januar 1995 bis 25. März 1995
Operation "Assured Response": Liberia, April 1996 bis August 1996
Operation "Quick Response": Zentralafrikanische Republik, Mai 1996 bis August 1996
Operation "Guardian Assistance": Zaire/Ruanda/Uganda, 15. November 1996 bis 27. Dezember 1996
Operation "Pacific Haven/Quick Transit": Irak - Guam, 15. September 1996 bis 16. Dezember 1996
Operation "Guardian Retrieval": Kongo, März 1997 bis Juni 1997
Operation "Noble Obelisk": Sierra Leone, Mai 1997 bis Juni 1997
Operation "Bevel Edge": Kambodscha, Juli 1997
Operation "Noble Response": Kenia, 21. Januar 1998 bis 25. März 1998
Operation "Shepherd Venture": Guinea-Bissau, 10. Juni 1998 bis 17. Juni 1998
Operation "Infinite Reach": Sudan/Afghanistan, 20. bis 30. August 1998
Operation "Golden Pheasant": Honduras, ab März 1988
Operation "Safe Border": Peru/Ekuador, ab 1995
Operation "Laser Strike": Südafrika, ab 1. April 1996
Operation "Steady State": Südamerika, 1994 bis April 1996
Operation "Support Justice": Südamerika, 1991 bis 1994
Operation "Wipeout": Hawaii, ab 1990
Operation "Coronet Oak": Zentral- und Südamerika, Oktober 1977 bis 17. Februar 1999
Operation "Coronet Nighthawk": Zentral- und Südamerika, ab 1991
Operation "Desert Falcon": Saudi Arabien, ab 31. März 1991
Operation "Northern Watch": Kurdistan, ab 31. Dezember 1996
Operation "Provide Comfort": Kurdistan, 5. April 1991 bis Dezember 1994
Operation "Provide Comfort II": Kurdistan, 24. Juli 1991 bis 31. Dezember 1996
Operation "Vigilant Sentine I": Kuwait, ab August 1995
Operation "Vigilant Warrior": Kuwait, Oktober 1994 bis November 1994
Operation "Desert Focus": Saudi Arabien, ab Juli 1996
Operation "Phoenix Scorpion I": Irak, ab November 1997
Operation "Phoenix Scorpion II": Irak, ab Februar 1998
Operation "Phoenix Scorpion III": Irak, ab November 1998
Operation "Phoenix Scorpion IV": Irak, ab Dezember 1998
Operation "Desert Strike": Irak, 3. September 1996; Cruise Missile-Angriffe: Irak, 26. Juni 1993, 17. Januar 1993, Bombardements: Irak, 13. Januar 1993
Operation "Desert Fox": Irak, 16. Dezember 1998 bis 20. Dezember 1998
Operation "Provide Promise": Bosnien, 3. Juli 1992 bis 31. März 1996
Operation "Decisive Enhancement": Adria, 1. Dezember 1995 bis 19. Juni 1996
Operation "Sharp Guard": Adria, 15. Juni 1993 bis Dezember 1995
Operation "Maritime Guard": Adria, 22. November 1992 bis 15. Juni 1993
Operation "Maritime Monitor": Adria, 16. Juli 1992 bis 22. November 1992
Operation "Sky Monitor": Bosnien-Herzegowina, ab 16. Oktober 1992
Operation "Deliberate Forke": Bosnien-Herzegowina, ab 20. Juni 1998
Operation "Decisive Edeavor/Decisive Edge": Bosnien-Herzegowina, Januar 1996 bis Dezember 1996
Operation "Deny Flight": Bosnien, 12. April 1993 bis 20. Dezember 1995
Operation "Able Sentry": Serbien-Mazedonien, ab 5. Juli 1994
Operation "Nomad Edeavor": Taszar, Ungarn, ab März 1996
Operation "Nomad Vigil": Albanien, 1. Juli 1995 bis 5. November 1996
Operation "Quick Lift": Kroatien, Juli 1995
Operation "Deliberate Force": Republika Srpska, 29. August 1995 bis 21. September 1995
Operation "Joint Forge": ab 20. Juni 1998
Operation "Joint Guard": Bosnien-Herzegowina, 20. Juni 1998
Operation "Joint Edeavor": Bosnien-Herzegowina, Dezember 1995 bis Dezember 1996
Operation "Determined Effort": Bosnien, Juli 1995 bis Dezember 1995
Operation "Determined Falcon": Kosovo/Albanien, 15. Juni 1998 bis 16. Juni 1998
Operation "Eagle Eye": Kosovo, 16. Oktober 1998 bis 24. März 1999
Operation "Sustain Hope/Allied Harbour": Kosovo, ab 5. April 1999
Operation "Shining Hope": Kosovo, ab 5. April 1999
Operation "Cobalt Flash": Kosovo, ab 23. März 1999
Operation "Determined Force": Kosovo, 8. Oktober 1998 bis 23. März 1999

Der größte Kampfeinsatz war dabei bekanntlich der auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens, der vor allem Folgen für die Zivilbevölkerung hatte: "In den 79 Tagen und Nächten vom 24. März bis 10. Juni 1999 flogen die NATO-Luftstreitkräfte mit zunächst 420 und schließlich 1.200 Flugzeugen insgesamt 37.465 Einsätze, bei denen sie 20.000 Raketen und Bomben auf das gesamte Territorium der Bundesrepublik Jugoslawien abfeuerten. Allein schon diese Tatsache macht deutlich, wie falsch und irreführend der Propaganda-Begriff vom ‚Kosovo-Krieg‘ ist. Bei diesem ersten Krieg gegen eine entwickelte Industrielandschaft in Europa wurden mindestens 200 Fabriken und Kraftwerke, 300 Schulen, 50 Krankenhäuser und 50 Brücken zerstört, womit die Wirtschaft Jugoslawiens etwa auf den Stand von 1900 zurückgeworfen wurde. Durch das systematische Bombardement von Betrieben der chemischen und pharmazeutischen Industrie, von Öl-Raffinerien und -Depots wurde in Jugoslawien und seinen Nachbarstaaten die größte Umwelt-Schädigung seit dem Krieg der USA gegen Vietnam verursacht." ("Kollateralschäden" oder Kriegsverbrechen? Der NATO-Krieg gegen Jugoslawien und das Kriegsvölkerrecht von Ernst Woit) Darüberhinaus gibt es viele Hinweise darauf, dass große Flüchtlingsströme überhaupt erst durch die NATO-Bombardements ausgelöst wurden. (Hier sei nochmal wiederholt, dass die NATO 37.465 Kampfeinsätze flog!)

Über Bill Clintons Kindheit und seine Kriegsführungspersönlichkeit hatte ich kurz etwas hier geschrieben. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch mal deMause in seiner Schilderung über Bill Clintons Kindheit ausführlich zitieren:

Folgt man seinem Biographen, war Clintons Familienrolle ebenfalls die eines sich aufopfernden Helden, der der "Umsorger und Beschützer der Familie" und seiner Mutter Virginia war.4 Sein alkoholischer Stiefvater war so gewalttätig seiner Mutter gegenüber, daß Clinton sich daran erinnert, wie dieser mit einem Gewehr auf seine Mutter geschossen hat, als er selber fünf Jahre alt war, und der kleine Billy "mußte zweimal echte Gewalttätigkeiten stoppen, als Roger drohte, Virginia umzubringen".5 Clintons Rolle des Familienhelden" war es natürlich, die ihn zu so einem meisterhaften Politiker machte, der fähig ist, die unbewußten emotionalen Bedürfnisse anderer zu spüren und seine eigenen Werte für die Verherrlichung, die er dadurch gewann, zu opfern. Es gab wenig Liebe in seiner Familie. Sein Stiefvater mißhandelte ihn physisch während seiner Trunkenheits-Wutanfälle, und seine Großmutter, die sich in den ersten Jahren, als die Mutter abwesend war, hauptsächlich um ihn kümmerte, hatte ein "grimmiges Wesen" und verwendete zweifellos "eine Peitsche" gegen ihn, wie sie es auch bei seiner Mutter getan hatte, als diese klein war.6
Zusätzlich zu diesem körperlichen Mißbrauch war Bill Clinton auch ein ungewünschtes Kind, dessen Mutter ihn als Kleinkind zwei Jahre lang bei ihrer Mutter ließ, während sie in eine andere Stadt zog, um eine Krankenschwestern-Ausbildung zu absolvieren, und die ihn später, während er aufwuchs, regelmaßig allein ließ und sich dem Glücksspiel widmete. "Ich wurde erzogen in der Art von Kultur, wo du ein glückliches Gesicht machst und deine Schmerzen und Qualen nicht zu erkennen gibst", sagte er.7 Der Psychotherapeut Jerome Levin verbindet Clintons suchthaften Sex mit Hunderten von Frauen unmittelbar mit seiner einsamen Kindheit.

http://www.mattes.de/buecher/psychohistorie/978-3-930978-44-1_demause.pdf

Bill Clinton wörtlich über seinen Stiefvater: "Er war ein guter Kerl, aber er hatte dieses Alkoholproblem. Er konnte seine Dämonen nicht kontrollieren - daraus entstanden Hass und Zerstörung. Ich habe sein Handeln gehasst, ihn habe ich nicht gehasst. Die Gewalt nahm kein Ende. Irgendwann haben meine Mutter und ich erkannt, das wir uns entscheiden mussten. Wir entschieden, dies alles zu ertragen, und unser Leben so normal wie möglich fortzusetzen." (Zitiert nach einer Rezension von Clintons Biografie "Mein Leben" im Deutschlandradio)
Bill Clinton spricht - so die Rezension weiter - nach eigener Aussage über "Dämonen", die er mit ins Weiße Haus trug und auch von einem Doppelleben. Auch der stern schreibt in seiner Buchbesprechung etwas von Dämonen: "Nach einem Jahr intensiver Eheberatung und seinem Freispruch im Amtsenthebungsverfahren habe er sich dann am Ende "befreit" (von seinen "Dämonen") gefühlt." Dies sind klassische Hinweise auf abgespaltene emotionale Anteile, wie sie fast immer bei Menschen vorkommen, die solch extreme Gewalt in der Kindheit erfahren haben. Das an sich ist etwas, was nun einmal Realität im Leben von Clinton war. Wenn diese Realität nicht aufgearbeitet wird - und Clinton selbst sagt ja einiges zum Thema "Wegsehen" und Verdrängen -, dann besteht die Gefahr, dass einen die "Dämonen" von einst wieder einholen, erst recht gilt dies, wenn man der mächtigste Mann der Welt wird inkl. einer großen Militärmaschinerie hinter sich...

Wenn man sich diese o.g. Informationen vor Augen führt, hätte ich den "Demokraten" Bill Clinton auch gut im Grundlagentext unter Kapitel 3. aufführen können…

siehe ergänzend: "Bill Clinton. "Dämonen" im Kopf und sanktionierter Massenmord"

Donnerstag, 3. November 2016

Ergänzende Infos über Hillary Clintons Kindheit

Ich habe heute meinen Text über die Kindheit von Hillary Clinton um nachfolgend zitierten Teil ergänzt. Für mich wurde durch die neuen Informationen deutlich, dass Hillary als Kind in einem alptraumhaften Haushalt aufwuchs. Mir kommt es so vor, als ob ihr einziger Ausweg war, zu leisten zu leisten und nochmal zu leisten. Immer in der Hoffnung, ihr Vater möge nur ein einziges mal Anerkennung zeigen. Nun, vermutlich wird sie die nächste Präsidentin der USA. Wird sie dies dann (endlich) glücklich machen und ausfüllen? Ich glaube nicht. Erst kürzlich sah ich eine aktuelle Doku über sie und Trump (siehe unten im Text). Mir scheint, dass sie mit den Jahren immer bitterer und kälter geworden ist, ähnlich wie ihr Vater. Wir dürfen uns auf heiße kommende vier Jahre einstellen, ob unter Trump oder Clinton, beides wird eine Probe für die Menschheit werden...
Hier nun die Ergänzungen: 
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In der amerikanischen Dokumentation "Amerika hat die Wahl - Clinton gegen Trump" (von Michael Kirk, ausgestrahlte auf ARTE TV am 01.11.2016) wurde gesagt, dass die Mutter von Hillary unter ihrem Mann litt. Er beleidigte sie und ging respektlos mit ihr um. Es gab oft Streit im Hause der Familie. Carl Bernstein, Autor von  „ Hillary Clinton - Die Macht einer Frau“, sagt in der Doku: „Wenn er ihre Mutter in einem lauten Streit demütigte, lief Hillary in ihr Zimmer, hielt sich die Ohren zu und sagte: `Ich ertrag das nicht.`“
Das erwähnte Buch von Bernstein gibt weitere vertiefende Einblicke oder besser gesagt: es legt Abgründe offen. „Hugh Rodham war ein bitterer, unerfülter Mann, dessen Kinder seinen unablässigen, herabsetzenden Sarkasmus und seiner misanthropischen Neigungen ertragen, seinen peinlichen Hang zur Sparsamkeit erdulden und schweigend hinnehmen mussten, wie er ihre Mutter demütigte und erniedrigte.“ (Bernstein  2007, S. 23) Die Beziehung der Eltern habe „geradezu krankhaft zerstörerische Züge“ gehabt, so Bernstein. (ebd., S. 24) Die destruktiven Verhaltensweisen von Hugh scheinen beständig zugenommen zu haben. Bernstein schreibt: „Als Hillary ins Teenageralter kam, schienen die schlechten Charakterzüge ihres Vaters endgültig die Oberhand gewonnen zu haben: Er konnte sich für fast nichts mehr begeistern und verlor jede Heiterkeit, während seine tyrannischen Ausfälle, seine schlechte Laune, die Klagelitaneien und seine Niedergeschlagenheit immer mehr zunahmen und er sich immer tiefer darin verstrickte.“ (ebd., S. 25) und „Das Leben im Hause Rodham hatte gewisse Ähnlichkeit mit einem militärischen Ausbildungslager, über das ein Spieß herrschte, der seine Schützlinge ständig heruntermachte und den man unmöglich zufriedenstellen konnte.“ (ebd., S. 27) Hugh „putzte jeden herunter, redete vollbrachte Leistungen klein, ignorierte Erfolge und legte die Latte für seine frustrierten Kinder immer höher, eine Methode, die er als `Charakterbildung` bezeichnete.“ (ebd., S. 27+28)

War seine Wut einmal geweckt, so war er furchterregend, und manchmal hatte es den Anschein, als könnte der ganze Haushalt jeden Augenblick bersten. Betsy und die wenigen Freundinnen, die Hillary mit nach Hause brachte, konnten sehen, wie schmerzlich erniedrigend das Leben mit Hugh Rodham für die Mutter war und dass Hillary unter den Wutausbrüchen ihres Vaters zusammenzuckte und unter seinem Geiz litt.“ (ebd., S. 29) Hillary, berichtet Bernstein, strengte sich furchtbar an, um einmal Anerkennung aus dem Munde ihres Vaters zu bekommen, wohl vergebens. (Mir kommt es so vor, als ob Hillary Clinton dies während ihrer politischen Karriere wiederholte. Sie war oft „nicht geliebt“, so sehr sie auch leistete, sich einbrachte und an Macht gewann. Zugespitzt zeigt sich dies im aktuellen Wahlkampf. Selbst wenn sie gewinnen sollte, sie scheint einfach ungemein unbeliebt in den USA zu sein.)
Die Wut des Vaters konnte auch handfester werden. Bernstein zitiert Hillary wörtlich bzgl. gewaltsamen Übergriffen auf die Kinder. Ihr Vater habe nicht mit der Rute gespart und an anderer Stelle sagte sie: „Gelegentlich ging es mit ihm durch, wenn er uns bestrafte. Dann brüllte er lauter oder griff insbesondere gegenüber meinen Brüdern zu härteren körperlichen Strafen (…). Doch selbst wenn er wütend war, zweifelte ich nie daran, dass er mich liebte.“ (ebd., S. 36+37) (Ihr Ehemann Bill Clinton idealisierte seinen gewalttätigen Vater genauso, wenn er über  (mit-)erlebte Misshandlungen berichtete, wieder eine Parallele.)

Sonntag, 26. Oktober 2008

Gedanken zu möglicher und typischer Kritik

Wenn es um das Aufzeigen möglicher Zusammenhänge von Kindesmisshandlung und späterem eigenen destruktiven/gewalttätigen Verhalten geht, gibt es als Reaktion erfahrungsgemäß häufig starken Widerspruch und Kritik (insbesondere natürlich auch bei politischer Gewalt). Als Beispiel sei die Kritik in der vom Deutschen Bundstag herausgegebenen Wochenzeitung „Das Parlament“ vom 28.02.2005 gegenüber der Studie „Bush auf der Couch“ von Justin A. Frank (aus der ich auch im Kapitel 3.1 zitiert habe) genannt. Frank sieht in seiner Studie einen direkten Zusammenhang zwischen den destruktiven Kindheitserfahrungen von Präsident George W. Bush und seinem späteren destruktiven, politischen Wirken. Im „Parlament“ heißt es dazu u.a. kritisch: „Tauscht man den Namen Bush in der Studie Franks einfach gegen andere Politiker aus jüngster Vergangenheit und Gegenwart aus - angefangen bei der "Eisernen Lady" Margaret Thatcher, dem "Lügner" Bill Clinton, über Gerhard Schröder, dessen Bruder Lothar Vosseler sogar öffentlich kein gutes Haar an dem Kanzler lässt, bis hin zum einst steinewerfenden und wehrlose Polizisten tretenden Joschka Fischer - passt die Studie Wort für Wort häufig auch auf diese Staatslenker - bei der verkorksten Kindheit der angeführten Personen angefangen. Insofern ist diese Studie wohl eher eine für Führungspolitiker allgemein "zutreffende" Analyse - es kommt eben nur auf den jeweiligen Standpunkt an. Sie ist auf keinen Fall ernst zu nehmen. (...)“

Dieses Beispiel ist klassisch und interessant in mehrfacher Hinsicht. Als Argument wird häufig genannt, dass ja auch viele andere (vergleichbare) Menschen destruktive Kindheitserfahrungen gemacht haben und trotzdem nicht in gleicher Weise destruktiv agieren. Als erstes verwundert dabei in diesem Beispiel die Auswahl der genannten Vergleichs-PolitikerInnen, die allesamt – meiner Meinung nach – nicht gerade einen Heiligenschein verdienen und bei denen auch destruktive Züge und Verhaltensweisen zu erkennen sind, wenn auch oftmals verdeckter und in anderer Form als es bei dem „Kriegspräsidenten“ (wie er sich selbst einmal nannte) George W. Bush der Fall war.
Der machthungrige Selbstdarsteller Gerhard Schröder steht z.B. nicht gerade für eine teamorientierte, einfühlsame und soziale Politik (erinnert sei z.B. an die Einführung von Hartz IV auf Kosten der Schwachen) und er war zusammen mit Joschka Fischers Grünen für die ersten Kampfeinsätze im Kosovo und in Afghanistan unter deutscher Beteiligung nach dem 2. Weltkrieg verantwortlich (was nebenbei den Grünen etliche Parteiaustritte bescherte). Unvergessen bleibt mir persönlich auch sein autoritärer Auftritt nach den Neuwahlen im Fernsehen, wo er entgegen des durch das Wahlergebnis berechtigten Anspruchs von Angela Merkel auf die Kanzlerschaft meinte „man müsse die Kirche im Dorf lassen“ und er müsse Kanzler werden. Dieser Auftritt hatte etwas von Realitätsverlust und offenbarte vieles von Schröders Charakter. Zusätzlich bescherte seine Politik der SPD in der Nachfolge die größte Krise in ihrer Nachkriegsgeschichte.

Ebenso wenig sozial und einfühlsam stellte sich die Politik der "Eisernen Lady" Margaret Thatcher dar, die ihren Beinamen nicht ohne Grund trägt. Ihre als „Thatcherismus“ bekannte Wirtschaftspolitik könnte man als Kritiker auch als neoliberale Politik bezeichnen, die u.a. für weniger Gewerkschaftseinfluss, Privatisierung, Einschränkung staatlicher Sozialleistungen, Deregulierung usw. steht und dadurch insbesondere auf Kosten der Schwachen ging. In ihre Amtszeit fiel u.a. auch der Falklandkrieg gegen Argentinien im Jahr 1982.
Über Joschka Fischer schreibt Wirth (2006) dass dieser sehr stark an seine Mutter gebunden war und sich erst spät emotional von dieser lösen konnte – ein typischen Phänomen der Nachkriegsgeneration.(vgl. Wirth, 2006, S. 257ff) Fischer selbst deutet viele seiner rebellischen Verhaltensweisen von damals als „Abwehr ihr gegenüber“ (und steht als Politiker Psychologisierungen offensichtlich offener gegenüber als so mancher Kritiker).
Seine Mutter wurde beschrieben als "eine sehr bestimmende, eine dominierende Person und dabei, in einer überschießenden Neigung zur Sauberkeit, nicht ohne zwanghafte Züge". (Kurth, 2000, S. 63) Der Vater, von Beruf Schlachter, konnte manchmal streng werden und ohrfeigte die Kinder, aber normalerweise hielt er sich im Hintergrund und überließ die Kindererziehung seiner Frau. (ebd.) Zum Vater hatte Joschka ein distanziertes Verhältnis und hat ihn nach eigenen Angaben nie wirklich gekannt. (vgl. Wirth, 2006, S. 257ff)
Fischers Erfahrungen in seiner Familie waren – zumindest findet sich bei Wirth und Kurth nichts darüber – wohl nicht von offener, schwerer Gewalt geprägt und nicht derart destruktiv, wie es z.B. bei einem Bush oder auch Clinton der Fall war. Insofern hat der Autor im „Parlament“ recht, wenn er mahnt, die Studie von Frank nicht zu verallgemeinern. Hinter einer „verkorksten Kindheit“ wie der Autor es nannte, verbergen sich oftmals nun mal ganz unterschiedliche Erfahrungen. Joschka Fischer war ja offensichtlich auf Grund von positiven oder nicht all zu negativen Erfahrungen in seiner Familie auch in der Lage, sich weiterzuentwickeln und von militanten Verhaltensweisen Abstand zu nehmen. (Wenngleich Kurth (2000) auch auf Zusammenhänge zwischen den Kindheiten von Fischer, Schröder und Scharping - dem „deutschen Kriegskabinett“ - und dem Bundeswehreinsatz in Jugoslawien hinweist. Die Bombardierung war demnach eine "erzieherische Strafaktion“, was auch dem Willen und den „Gruppenphantasien“ der westlichen Bevölkerung entsprach. Die weiteren Zusammenhänge sind natürlich komplexer und werden von Kurth weiter ausgeführt.)

Am meisten verwundert der Vergleich im „Parlament“ mit dem ehemaligen amerikanischen Präsidenten Bill Clinton (In seine Amtszeit fiel u.a. der Einsatz in Somalia, Jugoslawien, die Bombardierung von Gebäuden im Irak, Luftangriffe auf Ziele in Afghanistan und im Sudan, Invasion von US-Truppen in Haiti.) DeMause beschreibt Clinton – der in der Tat ein hohes Ausmaß an Destruktivität und Gewalt in seiner Herkunftsfamilie erlitten hat z. B. in Form von Ablehnung und Vernachlässigung, Peitschenhieben, körperlicher Gewalt gegen ihn, Alkoholismus des Stiefvaters, erhebliche Gewalt gegen die Mutter (bis hin zu dem Versuch, diese zu töten) durch den Stiefvater usw. - als "Kriegsführungs-Persönlichkeit", die er mit folgenden Begriffen kennzeichnet: Selbstdramatisierung; extremer Narzissmus; wiederkehrende Gefühle einer feindlichen Verschwörung gegen ihn; die Fähigkeit, nach einem großen Kreuzzug zu rufen, der das Böse in der Außenwelt vernichten wird und die Welt von ihrer Sündhaftigkeit reinigen wird; ein tiefer Quell der Einsamkeit; häufige Rachephantasien und eine ausgeprägte Fähigkeit zur Abspaltung. (vgl. deMause, 2000a, S. 81) Weiter schreibt er: “Nach Ramsey Clarks Buch "The Children are Dying: The Impact of Sanctions on Iraq" brachte Clinton es durch sein Festhalten am Irak-Embargo fertig, eine Million irakische Kinder zu töten — fast so viele, wie jüdische Kinder im Holocaust getötet wurden! Die in den USA an Clinton übertragene Rolle scheint es zu sein, auf eine Weise für Menschenopfer zu sorgen, die unsere Schuldgefühle nicht hochkommen lässt: im Irak durch seine "unsichtbare" Kindstötung, in Jugoslawien durch die Konzentration auf die Vertreibungen der Kosovaren, die durch seinen Bombenkrieg erst richtig in Gang kamen, und sogar im Falle seiner eigenen Skandale, durch die er sich Amerika ein ganzes Jahr lang selbst als ein geeignetes Opfer präsentierte, das für unsere Sünden zu bestrafen sei.“ (deMause, 2000a, S. 77ff) Hinter Clintons „Skandalen“ steckt nach deMause im Privatbereich insbesondere seine Sexsucht und die damit verbundene jahrelange Demütigung seiner Ehefrau.

Wenn der Autor im „Parlament“ schreibt, dass die Studie von Frank wohl eher eine für Führungspolitiker allgemein "zutreffende" Analyse sei und sie deshalb nicht ernst zu nehmen ist, verwundert dies insbesondere auch in Anbetracht der Auswahl seiner Vergleichspersonen. (Vielmehr hätte der Autor Führungspolitikerinnen ausmachen müssen, die eine erwiesenermaßen glückliche und geborgene Kindheit hatten, die nicht misshandelt und/oder vernachlässigt wurden, sondern einfühlsam und mit Respekt behandelt wurden und die dann als Erwachsener (plötzlich) beschlossen, Krieg zu führen und tausende Menschen zu töten. Allerdings wird der Kritiker meiner Ansicht nach solche Politikertypen nicht finden!) Ich persönlich erschrecke mich eher, wenn mir gesagt wird, dass viele FührungspolitikerInnen offensichtlich eine destruktive Kindheit hatten (und diese wohl oftmals auch nicht aufarbeiten und verarbeiten) und mir stellt sich die Frage, ob die Macht auf der großen politischen Bühne nicht oftmals gerade die Menschen anzieht, die erhebliche Ohnmachtserfahrungen machen mussten. Sicherlich wirkte z.B. ein Schröder oder Fischer nicht annähernd so offen destruktiv wie ein Bush. Trotzdem zeigen sich natürlich – wie bei allen Menschen – deren Kindheitserfahrungen im späteren Verhalten. Warum sollte man das ausblenden?

Als nächstes fallen mir zu dem Thema Prostituierte ein. Laut verschiedenen internationalen Studien haben Prostituierte im Vergleich zu Kontrollgruppen oder der Gesamtbevölkerung im erheblicheren Maße sexuellen Missbrauch und auch körperliche Misshandlungen erlebt. (vgl. Zumbeck, 2001, S. 31ff) In manchen der Studien gaben die Prostituierten selbst an, dass sie einen Zusammenhang zu ihrem „Beruf“ und ihrer Missbrauchsgeschichte sehen. Die verschiedenen ForscherInnen kommen häufig zu dem gleichen Ergebnis.
Nun wird bei diesem Beispiel kaum jemand diesen festgestellten Zusammenhang mit dem Argument abstreiten wollen, dass ja auch unzählige andere Frauen in der Bevölkerung als Kind sexuell missbraucht und misshandelt worden sind und logischer Weise nicht allesamt zu Prostituierten wurden... Der Autor in „Das Parlament“ und viele andere argumentieren allerdings genau in dieser Weise, wenn es um gewalttätiges und gerade auch politisch gewalttätiges/destruktives Verhalten und entsprechenden Kindheitsgeschichten der ProtagonistInnen geht.
Wenn die destruktive Kindheit von Bush offensichtlich einen erheblichen Einfluss auf dessen Politik hatte, dann kann man diesen Umstand nicht damit abtun, dass andere Menschen mit ähnlichen Hintergründen nicht in gleicher Weise agieren. Wir leben schließlich in einer komplexen Welt. Misshandelte, ggf. traumatisierte Kinder wachsen in spezifischen und natürlich oftmals unterschiedlichen Kontexten auf. Gab es „helfende Zeugen“? Wie häufig und wie schwer wurden sie misshandelt? In welcher Form wurden sie misshandelt? In welchem Alter wurden sie misshandelt? Durch wen wurden sie misshandelt? Wurden die Misshandlungen therapeutisch aufgearbeitet? Zu welcher Zeit wuchsen die Kinder auf bzw. welcher Generation gehören sie an? In welcher Kultur, in welcher Schicht, in welchem Milieu usw. wurden sie groß? Welche Zufälle ergaben sich aus ihrem individuellen Lebensvollzug? Welches Geschlecht haben sie? Welche persönlichen Chancen und Möglichkeiten eröffneten sich ihnen aus angeborenen oder erlernten Fähigkeiten und Begabungen? Usw. usf. Unsere Welt ist komplex, natürlich. .
Sicherlich gab es z.B. verschiedene bedeutende gesellschaftliche Einflussfaktoren, die mit dazu führten, dass aus ehemals missbrauchten und misshandelten Frauen Prostituierte wurden. Zu allererst ist natürlich das Geschlecht ein wichtiger Einflussfaktor und entsprechende patriarchale Strukturen. Eine Frau aus der Oberschicht, die sexuell missbraucht wurde, wird zudem vielleicht unwahrscheinlicher in die Prostitution rutschen, als eine Frau mit ähnlichen Erfahrungen, die in der Unterschicht groß wurde und die durch ihr Umfeld oder Zufälle oder unbewusst herbeigeführte Zufälle auf Menschen traf, die mit diesem Milieu zu tun haben usw. Nur wer garantiert, dass sich aus dem Kontext der Frau aus der Oberschicht nicht andere destruktive Entwicklungsmöglichkeiten ergeben, die eben einfach eine andere Farbe annehmen und natürlich auch mit ihrer Kindheitsgeschichte in Zusammenhang stehen können?
Ein George W. Bush konnte z.B. nur zu einem amerikanischen „Kriegspräsidenten“ werden, da er u.a. in eine einflussreiche Familie und einen Kontext hineingeboren wurde, die und der ihm die gute Chance auf das Präsidentenamt erst erschloss (Fehlendes Mitgefühl muss eben auch mit großer Macht einhergehen, damit überhaupt großflächig destruktiv agiert werden kann). Der „Zufall“ der Ereignisse vom 11. September gaben ihm den Grund dafür, seine Destruktivität offen und scheinbar legitim auszuleben. Die Welt ist komplex, natürlich. Ein anderer Texaner, mit ähnlichen Machtmitteln und vergleichbarer Kindheit baut vielleicht ein Atomkraftwerk in einem Erdbebengebiet. Und dieser kann sich sicher sein, dass kein Analytiker wie z.B. Frank dieses Verhalten in einem Buch beleuchten würde...
Ich denke hier wird klar, dass ich die verschiedenen destruktiven Verhaltensweisen von Menschen nicht all zu sehr trenne, wenn es um die tieferen Ursachen geht. Viele SozialwissenschaftlerInnen würden wahrscheinlich aufschreien, wenn ich Prostituierte, Kriminelle, (mutwillige) Umweltzerstörer, Kindesmisshandler, Menschen mit selbstverletzendem Verhalten/Suchtverhalten usw. usf. und Menschen, die Kriege austragen in einen Topf werfe. Ich denke, man muss sich letztlich klar machen, dass keine Kindesmisshandlung/-vernachlässigung ohne Folgen bleibt und diese oftmals ein „Gift“ hinterlässt. Die „vergiftete“ Kindheit sucht später ihren Ausdruck in vielerlei Farben und Facetten, je nach Rahmen, Möglichkeiten, Machtmitteln und Zufällen. Gift kann logischerweise die Menschen selbst schädigen ggf. sogar umbringen oder wenn – wie deMause sagt – „Giftcontainer“ gesucht werden, andere Menschen (+ Tiere und die Natur) schädigen. Das Wissen um diese „zwei Richtungen“ (Gewalt gegen sich und/oder andere) und das Wissen um die unterschiedlichen Ausdrucksformen erlittener Gewalt ist wichtig, damit eben in der wissenschaftlichen Untersuchung unterschiedliches destruktives Verhalten auch erklärbar ist. Die Wurzeln dafür sind in der Kindheit zu suchen.
Zusätzlich zeigt sich auch in dieser Arbeit, dass so manches mal die Grenzen nicht so deutlich liegen. Ich denke da. z.B. an Stalin, der – wie oben dargestellt – erst eine kriminelle Karriere machte und dann Politiker/Kriegsherr wurde. Ich denke an einen George W. Bush oder auch einen Bill Clinton, die beide auch für eine Politik standen, die erheblich gegen den Umweltschutz wirkte, die Hilfsmaßnahmen und Unterstützung für Schwache (insbesondere auch Kinder und Sozialhilfeempfänger usw.) abbaute, die soziale Ungerechtigkeiten verstärkte, die militärischer Abrüstung entgegenwirkte usw. (vgl. Moore, 2003, S. 56ff + 251ff) Über George W. Bush wissen wir zudem, dass er zum Alkoholmissbrauch neigte. Über seinen Vater wissen wir, dass er zu Hause die Kinder vernachlässigte und schlug. Ebenfalls wurde in diesem Text dargestellt, wie NS-Täter neben der politischen Gewalt auch erhebliche Gewalt in ihren Familien ausübten. Usw. usf.
Hier verschwimmen die Grenzen zwischen privater und politischer Gewalt, zwischen der Zerstörung der Umwelt durch politische Entscheidungen und der militärischen Zerstörung vom „Feind“ (der Krieg schädigt zusätzlich natürlich immer auch die Umwelt), zwischen Selbstzerstörung und Fremdschädigung usw. Das Gift durchdringt eben den ganzen Menschen.

So manch einen Leser oder eine Leserin mag dieser Text sehr erschrecken und evtl. Gefühle der Hilflosigkeit, Wut und Ohnmacht auslösen. Das ist berechtigt, aber ich sehe diese Analyse auch als eine Chance und als ein Hoffungszeichen. Das faszinierende der in diesem gesamten Text vorgestellten Thesen und Abläufe ist für mich, dass diese uns Menschen eben nicht hilflos zurück lassen müssen sondern Hoffnung geben und Mut zur Initiative machen. Wir können eine friedlichere Welt schaffen, wenn wir für eine friedlichere Kindheit sorgen. Das ist der Schlussstrich, den mensch hier ziehen kann und der uns alle aufrütteln sollte.


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Montag, 21. Februar 2011

Wikipedia Analyse über die Darstellungen der Kindheiten von Diktatoren und destruktiven Politikern

Derzeit befasse ich mich - wie im vorherigen Beitrag erwähnt - damit, wie weit psychohistorische Thesen online verbreitet sind. Dazu gehört für mich auch die Sicht auf die jeweilige Kindheitsanalyse von Diktatoren und destruktive Politiker. Wer einen Namen wie „Adolf Hitler“ oder „Stalin“ bei Googel eingibt, erhält als erste Treffer meist die Darstellung der Person bei Wikipedia. Jeder, der sich für diese Person interessiert, erhält erste Informationen also über dieses Webportal. Zudem sind die Texte Gemeinschaftsprojekte und geben somit ein Bild davon ab, wie weit bestimmte Dinge allgemein bekannt sind oder sich auf den Wiki-Seiten überhaupt durchsetzen lassen oder ggf. auf Widerstand stoßen und wieder gelöscht werden. Für mich macht es also Sinn, mal nachzuschauen, wie viel dort über die Kindheit und die entsprechenden Gewalterfahrungen inkl. möglicher Folgen über die Personen berichtet wird, die ich hier in meinem Blog bereits analysiert habe (siehe Grundlagentext und extra Bill Clinton und Tony Blair). Denn nur, wenn die gewaltvollen Kindheiten dieser Personen überhaupt bekannt sind, werden auch psychohistorische Thesen mehr von Interesse.

Von 17 Diktatoren/politischen Führern, bei denen ich erhebliche Gewaltverhältnisse/Vernachlässigung in der Kindheit nachgewiesen habe, wird bei Wikipedia nur bei 6 von ihnen auf die destruktive Kindheit hingewiesen oder diese angedeutet. Von diesen 6 beinhaltet wiederum nur die Wiki-Darstellung von Adolf Hitler auch eine direkte Verknüpfung zu den psychischen Folgeschäden seiner Kindheit und somit auch zu seinem späteren politischen Handeln. Bei den anderen 5 wurden Gewalterfahrungen nur kurz mit einem Satz oder einzelnen Wörtern erwähnt, ohne auf mögliche Auswirkungen einzugehen.


Personen, bei denen Gewalterfahrungen/destruktive Kindheitserfahrungen erwähnt wurden:

Adolf Hitler:
Relativ viel über Herkunft und Familie. Erwähnung der Gewalt durch den Vater: „In Mein Kampf schildert Hitler den Vater als streng, autoritär, mitunter auch jähzornig und gewalttätig.“ Besonders auffällig ist ein relativ langer Absatz über Arno Gruens Analyse der destruktiven Eltern-Kind-Beziehung Hitlers und Thesen über die psychischen Folgeschäden. Diese Darstellungen sind meiner Erinnerung nach relativ neu, auf Wikipedia, noch vor über einem Jahr fand ich dort keine Erwähnung von Gruens Thesen. Diese Wikipedia Darstellung eines Diktators/politischen Führers ist somit die einzige, bezogen auf die hier analysierten Personen, in der direkt auf die Folgen der erlebten Gewalt hingewiesen wird und somit auch ein direkter Bezug zum späteren politischen Handeln hergestellt wird.

Stalin:
Kurzer Bericht über gewalttätigen Vater und dessen Alkoholismus. Kein Bericht über Gewalt durch die Mutter.

Wilhelm II.:
Andeutungen, dass seine Mutter ihn nicht akzeptierte; erwähnt werden kurz und beispielhaft die Maßnahmen, zur Behandlung seines Armes; Erwähnung, dass er seine Kindheit als „unglücklich“ empfand.

Ludwig XIII.:
Einziges Wiki-Zitat: „Das empfindsame Kind litt unter der strengen, durch Schläge geprägten Erziehung und der Trennung vom vergötterten Vater.“

Friedrich II. (Preußen):
Bericht über „strenge, autoritär und religiös geprägte Erziehung“ und über „Brutale körperliche und seelische Züchtigungen“, außerdem extra Kapitel über Konflikte mit dem Vater. Insofern ist diese Darstellung im Vergleich zu den anderen schon etwas herausragend.

Bill Clinton:
Einziges Wiki-Zitat: „Mit 14 Jahren nahm Clinton den Namen seines Stiefvaters an, den er selbst als Spieler und Alkoholiker bezeichnete und dem er überdies unterstellte, regelmäßig seine Mutter und gelegentlich auch seinen Bruder misshandelt zu haben“, kein Hinweis darauf, dass auch Clinton Opfer dieser Gewalt wurde.


Kein Bericht über Gewalterfahrungen und nichts oder fast nichts über Kindheit fand ich bei folgenden Personen:

Benito Mussolini

Francisco Franco

Nicolae Ceaușescu

Napoleon Bonaparte

Mao Zedong

Slobodan Milošević (außer vom Selbstmord des Vaters und Mutter erfährt man nichts über die Kindheit und Gewalt.)

Saddam Hussein (Erwähnung der versuchten Abtreibung durch seine Mutter, ansonsten kein Bericht über Gewalt und fast nichts über Kindheit.)

George W. Bush

George H. W. Bush

Ronald Reagan

Tony Blair

Montag, 8. April 2019

Rechte Politiker, rechte Wähler und Kindheit


Der australische, rechte Senator Fraser Anning hatte im März 2019 nach einer Ei-Attacke auf ihn durch einen 17-Jährigen diesen zweimal geohrfeigt (der Fall ging durch viele Medien) und wäre wahrscheinlich noch weiter auf ihn losgegangen, wenn er nicht von einigen Männern (wohl seine Mitarbeiter) gestoppt worden wäre. Das alleine spricht schon Bände, wenn ein gestandener, großer Mann derart auf einen "kleinen" 17Jährigen (dieser war eher schmächtig) losgeht.
Im Rückblick sagte Anning: "Der Typ kam von hinten. Das war dumm. Da hat er eben eine Ohrfeige bekommen. Die hätte ihm seine Mutter schon viel früher verpassen sollen." (ca. Minute 5:18, ARD-Weltspiegel vom 24.03.2019, "Neuseeland/Australien: Suche nach Wurzeln für den Rassismus?")

Wenn solche Menschen sich aufregen und sich im Recht fühlen, dann verraten sie manchmal mehr über sich, als ihnen wohl lieb sein dürfte. Anning wird mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit selbst als Kind durch Elternteile geschlagen worden sein und hat dies ganz offensichtlich als „positiv“ innerlich verdreht und sich mit dem Aggressor identifiziert. Gewalt gegen Kinder würde diese zu besseren Menschen machen, die sich dann später im Leben benehmen könnten und nicht einfach Eier auf Politiker werfen, so könnte man seine Aussage interpretieren. Wer solche Ansichten verinnerlicht hat, wird nicht automatisch zum rechten Politiker. Aber rechte Politiker als solche zeigen auffällig häufig durch Ihr Verhalten und ihr Reden (und auch ihre Ausstrahlung), wie sehr sie mit autoritärem Denken identifiziert sind. Je rechter oder besser gesagt je rechtsextremer Menschen sind, desto deutlicher können auch destruktive Kindheitserfahrungen in wissenschaftlichen Befragungen nachgewiesen werden (ich habe dazu mehrere Studien in meinem Buch besprochen und einige davon auch hier im Blog besprochen).

Es gibt noch mehr Fälle, die ähnlich gelagert sind:

Stephen Bannon, der extrem rechte, ehemalige Berater von Donald Trump, hat 2016 erklärt, dass psychische Gesundheitsprobleme durch ein Mehr an Schlägen gegenüber Kindern zu „heilen“ wären. “I’ve got a cure for mental health issue[s],”, sagte Bannon: “Spank your children more.” (huffpost.com, 15.11.2016, „Steve Bannon’s Cure For Mental Illness? 'Spank Your Children More'. Are we surprised?“ - von Lindsay Holmes und Daniel Marans) Überdeutlich zeigt sich hier, wie solche extrem destruktiven Akteure mit der Macht und dem Aggressor identifiziert sind und wie ihnen jegliches Mitgefühl fehlt.

Der ultrakonservative „Teaparty“-Anhänger Ted Cruz hat während des Wahlkampfes 2016 (er selbst trat als Präsidentschaftskandidat an) ohne Hemmungen öffentlichen erklärt, dass er seine 5jährige Tochter schlägt, wenn diese ihn z.B. anlügt. Mehr noch: Er hat diese „Straf-Erziehungsform“ auf die Politik übertragen und dazu aufgerufen, Hillary Clinton genauso abzustrafen:
„We do know Hillary told her daughter Chelsea, well gosh, I knew it was a terrorist attack, while we were out telling the American people it wasn't. You know I'll tell you, in my house, if my daughter Catherine, the five-year-old, says something she knows to be false, she gets a spanking." Und er fügte an: "Well, in America, the voters have a way of administering a spanking," (The Washington Post, 08.01.2016, „Cruz: I spank my daughter when she lies — voters can ‘administer…a spanking’ to Hillary Clinton“ - von Karen Tumulty)
Die Wähler sollten Hillary Clinton symbolisch körperlich dafür bestrafen (in diesem Fall durch Nicht-Wahl von ihr), dass sie in den Augen von Cruz gelogen (es ging dabei um den Bengasi-Anschlag 2012) habe. Man muss diesen Fall wohl nicht weiter kommentieren, er spricht für sich.

Grundsätzlich zeigen sich in den USA Zusammenhänge zwischen Zustimmungsraten zu Körperstrafen gegen Kinder und Mehrheiten für die Republikaner (klassisch in den südlichen Staaten) bzw. Trump Wählern (siehe dazu z.B. „Americans’ Opinions On Spanking Vary By Party, Race, Region And Religion“ oder „Millennials like to spank their kids just as much as their parents did“). Zufall?  Der Kinderarzt Herbert Renz-Polster hat dazu viel in seinem aktuellen Buch „Erziehung prägt Gesinnung“ geschrieben, das ich demnächst besprechen werde. Politik und Kindheit, Kindheit und Politik, diese Dinge müssen in ihrer Verzahnung dringend weiter analysiert werden.

Freitag, 12. Oktober 2018

Mein Buch ist fertig!


Mein ursprünglicher Plan war, dies mit dem 400. Blogbeitrag (was ich irgendwie nett gefunden hätte) hier anzukündigen und dann gleich auch auf eine Bestellmöglichkeit als selbstveröffentlichtes E-Book hinzuweisen. Nun hat sich allerdings ein Verlag gefunden, der das Buch veröffentlichen wird, was mich sehr freut. Die Veröffentlichung über einen Verlag bedeutet für mich, dass das Buch zitierfähiger wird, aber auch breitere und professionelle Werbemöglichkeiten über klassische Verlagswege hinzukommen. Außerdem muss ich mich nicht mit dem Layout herumschlagen.

Der Nachteil ist für den Moment, dass die Veröffentlichung wohl noch etwas dauern wird (vermutlich wird es im Februar 2019 veröffentlicht werden). Daher möchte ich jetzt doch in diesem 400. Beitrag bereits das Buch vorankündigen.

Titel und Untertitel sowie das Inhaltsverzeichnis möchte ich allerdings noch nicht verraten, auch, weil evtl. noch kleine Änderungen durch den Verlag kommen könnten. Allerdings kann ich ausführen, was ich im Wesentlichen geschrieben habe und was vor allem Neu im Vergleich zu den Texten im Blog und zu meinem Text „Als Kind geliebte Menschen fangen keine Kriege an“ ist.

Zunächst: Das Buch wird sehr umfangreich werden. Im DIN A4 Format komme ich auf über 400 Seiten (inkl. Literaturverzeichnis und Fußnoten). Im Buchformat dürften es entsprechend noch mehr Seiten werden.  Der Grundstil ist wissenschaftlich orientiert, aber das Ganze lesefreundlich und so einfach wie möglich (ich mag zwar wissenschaftliche Fachbücher, aber mein Sprachstil ist nun einmal anders).

Sehr viel Raum habe ich historischen Erziehungseinstellungen, der Historie des Kinderleids an sich und auch der Gewalt in vorzivilisatorischen Gesellschaften gegeben, damit wir verstehen, wo wir eigentlich herkommen und auf welchen Grund wir heute stehen. Diese Themenfelder hatte ich im Blog bisher nur angerissen und nicht vertieft. Dazu kommt auch ein kleiner Ausflug in die Gehirnforschung, worüber ich bisher noch gar nichts geschrieben habe.

Es folgt eine sehr systematische Analyse von belastenden Kindheitserfahrungen und von Kindesmisshandlung in der Welt. Diese Analyse habe ich auf spezielle Gruppen wie (Gewalt-)Straftätern, Soldaten, Extremisten, Terroristen, politischen Führern und von Hitlers Helfern (NS-Elite + bekannte NS-Täter) gesondert ausgeweitet. Die Quellen und verwendeten Studien für die Analysen sind deutlich breiter und vertiefender, als das, was ich bisher im Blog geschrieben habe. Auch die Anzahl an Einzelbiografieanalysen übertrifft deutlich das, was bisher im Blog oder in extern von mir verfassten Texten steht.

U.a. nachfolgende Personen werden bzgl. ihrer destruktiven Kindheit systematisch analysiert: 
John F. Kennedy, Lyndon B. Johnson, Ronald Reagan, George H. W. Bush, George W. Bush, Bill Clinton, Hillary Clinton, Tony Blair, Ludwig XIII., Napoleon Bonaparte, Friedrich II., Otto von Bismarck, Wilhelm II., Adolf Hitler, Benito Mussolini, Francisco Franco, Nicolae Ceauşescu, Slobodan Milosevic, Tito, Mao Zedong, Lenin, Stalin, Ivan IV., Wladimir Putin, Augusto Pinochet, Manuel Noriega, Fidel Castro, Jean-Bédel Bokassa, Saddam Hussein, Hassan II., Jassir Arafat, Recep Tayyip Erdoğan, Charles Manson, Rudolf Heß, Joseph Goebbels, Heinrich Himmler, Hermann Göring, Martin Bormann, Albert Speer, Julius Streicher, Karl Dönitz, Joachim von Ribbentrop, Hans Frank, Rudolf Höß, Josef Mengele, Adolf Eichmann, Alfred Filbert, Amon Göth, Reinhard Heydrich, Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Inge Viett, Horst Mahler, Stefan Wisniewski, Peter-Jürgen Boock, Lutz Taufer, Astrid Proll, Anders Breivik, Beate Zschäpe, Osama Bin Laden. Dazu kommen diverse Personen (Terroristen, Extremisten und Gewalttäter), die öffentlich nicht so bekannt sind. Auch werden hier und da destruktive Kindheiten im Textverlauf gestreift (z.B. von Martin Luther, Jim Jones oder von Anthony Kiedis)

Mir ist bisher kein Buch bekannt, in dem derart umfassend und systematisch destruktive Kindheiten von destruktiv (einst oder auch noch aktuell) agierenden Menschen analysiert wurden.

Die Studienlage (allgemeine Studien, Befragungen von Akteuren) bzgl. der Kindheiten von Extremisten habe ich außerdem deutlich breiter dargestellt. Ich selbst wundere mich darüber, dass es öffentlich kaum Einlassung auf diese Studien gibt. Die BKA-Studie „Die Sicht der Anderen“ wurde zwar öffentlich hier und da besprochen, aber es gibt da noch deutlich mehr Studien, die zusammengefasst öffentlich gar nicht angekommen sind. Öffentlich müsste demnach eigentlich vor allem im Angesicht von Rechtsextremismus immer auch über die Kindheit gesprochen werden. Aber es herrscht breites Schweigen.

Sehr viel Raum (ein eigenes Kapitel)  habe ich also der Frage gegeben, warum die gesammelten Dinge und Erkenntnisse im Buch zu Kindheitseinflüssen öffentlich meist ausgeschwiegen werden. Dabei habe ich auch deutlich Beispiele aus Wissenschaftskreisen benannt, wo ganz klar an den Dingen vorbeigesehen wird.

Dazu kommen weitere Kapitel, die ich nicht wirklich zusammenfassend vorstellen kann. Auf jeden Fall leuchte ich die Dinge in verschiedene Richtungen aus, erkläre, warum es nicht immer leicht ist, die Kindheitshintergründe von Einzelpersonen komplett zu ergründen, befasse mich mit gängiger Kritik an meinen und psychohistorischen Thesen und ergründe auch, wie destruktive Kindheiten und deren individuellen Folgen sich kollektiv ausdrücken und auch enorm destruktiv wirken können.

Was man in dem Buch kaum finden wird, sind dagegen ausführlich Einlassungen auf psychohistorische Modelle und die Theorie von deMause. Es würde kaum Sinn machen, diese auszubreiten und zu wiederholen. Viel mehr sehe ich mein Buch als eine Ergänzung und Stütze der Psychohistorie. Mein Buch ist vor allem durch die deutlich sozialwissenschaftliche Ausrichtung anders. Ich frage mich wirklich, warum in der Sozialwissenschaft aber auch der klassischen Geschichtswissenschaft bisher kein ähnliches Werk vorliegt? Denn die Studienlage ist enorm. Es gibt derart viele Einzelarbeiten, die die Dinge ergründet haben, dass es im Gesamtblick darauf kaum Sinn macht, nicht von enormen Einflüssen von Kindheitserfahrungen auf die Welt wie wir sie erleben und auch wie wir sie im historischen Rückblich sehen auszugehen. Und dies meine ich vor allem mit Blick auf politisches Agieren, mit Blick auf Krieg, Gewalt, Selbstzerstörung, Terror, Extremismus, politischer Verrücktheit und sozialen Schieflagen.

Viel mehr kann und will ich jetzt hier gar nicht vorwegnehmen. An dem Buch habe ich zwar ca. ein Jahr lang gearbeitet, aber im Grunde ist es das Resultat aus einer Arbeit und Recherchen, die ca. im Jahr 2002 begonnen haben.

Nun, wir werden sehen, wie es angenommen und ob es gar auch diskutiert werden wird.

Ich persönlich habe ab sofort wieder mehr Zeit. Mir schweben bereits zwei Blogbeiträge vor. Allerdings markiert mein Buch auch einen gewissen Abschluss für mich. Ich lasse die nächsten Monate einfach erst einmal auf mich zukommen und wir sehen dann, was wird.

Donnerstag, 4. Juni 2020

Belastende Kindheitserfahrungen in den USA: Neue Daten


(aktualisiert am 05.06.2020)

Nicht erst nach der Trump-Präsidentschaft und den derzeitigen Eskalationen (an denen wiederum D. Trump nicht unwesentlich beteiligt ist) nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd geben viele Entwicklungen in den USA aus unserer europäischen Sicht Rätsel auf. Ich bin davon überzeugt, dass ein vertiefender Blick auf die Kindheitshintergründe der US-Amerikaner einen gewichtigen Teil des Rätsels auflösen. Die sehr traumatische Kindheit von Donald Trump habe ich hier im Blog bereits besprochen. Natürlich wirft diese Kindheit auch ihre Schatten auf den erwachsenen Trump und sein Verhalten. Oder anders gesagt: Hätte Donald Trump eine fürsorgliche, liebevolle und gewaltfreie Kindheit und Jugend erlebt, dann wäre aus ihm niemals ein rechtspopulistischer Hassredner und Menschenfeind geworden, davon bin ich überzeugt. Grundsätzlich fällt auf, dass viele US-Präsidenten der letzten Jahrzehnte als Kind schwer belastet waren. In meinem Buch (bzw. teils auch hier im Blog) habe ich die destruktiven Kindheiten von John F. Kennedy, Lyndon B. Johnson, Ronald Reagan, George H. W. Bush, George W. Bush und Bill Clinton (ergänzt um die Kindheit seiner Frau Hillary Clinton) bereits besprochen. In der Vergangenheit habe ich außerdem Daten zur Kindheit in den USA gesammelt (die teils aus heutiger Sicht schon wieder veraltet sind). Diese Daten möchte ich hiermit etwas auf den aktuellen Stand bringen: 

Merrick und Kollegen (2018) haben ACE-Daten (ACEs = Adverse Childhood Experiences) von insgesamt 214.157 Befragten ausgewertet. Dies ist die bisher größte Datenauswertung von belastenden Kindheitserfahrungen in den USA! Alle erwachsenen Altersgruppen sind repräsentiert. Die Ergebnisse seien hier kurz vorgestellt: 
  • 34,42 % erlebten vor dem 18.  Lebensjahr emotionale Misshandlungen in ihrer Familie
  • 17,94 % erlebten körperliche Misshandlungen in ihrer Familie. 
  • 11,6 % erlebten Formen von sexuellem Missbrauch (durch Familienmitglieder, Bekannte oder Fremde).
    In den Familien bzw. im jeweiligen Haushalt wurde darüber hinaus folgendes miterlebt: 
  • 17,51 % erlebten häusliche Gewalt mit
  • 27,56 % erlebten Suchtmittelmissbrauch mit
  • 16,53% erlebten psychisch kranke Haushaltsmitglieder
  • 27,63 % erlebten elterliche Trennung oder Scheidung
  • 7,9 % erlebten die Inhaftierung von einem Mitglied des Haushalts
  • 38.45% der Befragten berichteten von 0 ACEs
  • 23.53% der Befragten berichteten von 1 ACE
  • 13.38% der Befragten berichteten von 2 ACEs
  • 8.83% der Befragten berichteten von 3 ACEs
  • 15.81% der Befragten berichteten von 4 oder mehr ACEs

Finkelhor und Kollegen (2019) haben vier repräsentative Studien aus den USA vorgestellt. Die Ergebnisse ergänzen die oben vorgestellten Daten zur körperlichen Misshandlung um Formen von körperlicher Gewalt gegen Kinder, die nicht als reine Misshandlung eingestuft werden können (im Englischen = spanking). Zunächst ist anzumerken, dass es einen Positivtrend in den USA gibt. 2014 wurden 49 % der Kinder im Alter zwischen 3 und 11 Jahren im Elternhaus innerhalb des Jahres vor der Befragung körperlich bestraft. 1995 wurden noch 65 % und in den Jahren 1985 und 1975 jeweils 77 % der Kinder geschlagen (Finkelhor et al. 2019, S. 1995). 
   Diese Zahlen zeigen wohlgemerkt nur das Gewalterleben innerhalb eines Jahres, nicht für die gesamte Kindheit! Zudem werden kleinere Kinder deutlich häufiger körperlich bestraft, als ältere Kinder, was auch die genannte Studie zeigt: So wurden in der Befragung 2014 deutlich über 60 % der 3- bis 4-Jährigen geschlagen. Dadurch, dass andere Altersgruppen weniger geschlagen werden, ergibt sich der o.g. Durchschnittswert von 49 % für 2014. Da auch die älteren Kinder einmal 3 und 4 Jahre alt waren wird deutlich, dass auch die Befragung 2014 zeigt, dass eine Mehrheit der Kinder in den USA elterliche Gewalt erlebt hat. (Weitergedacht bedeutet dies, dass auch die o.g. Durchschnittswerte für die Studien 1995, 1985 und 1975 genau das sind: Durchschnittswerte und keine Angaben über das Gewalterleben für die gesamte Kindheit, das deutlich höher liegt.)
   Es darf auch nicht vergessen werden, dass die großen Mehrheiten, die noch in den 1970er und 1980er Jahren geschlagen wurden, heute Erwachsene sind und das Leben und den Alltag (inkl. den politischen) in den USA gestalten. Außerdem muss darauf hingewiesen werden, dass es starke regionale Differenzen im Gewaltaufkommen gibt. Die jüngeren Kinder (0-9 Jahre) aus der Studie 2014 wurden häufiger im Süden (59%) und Mittleren Westen (49%) der USA geschlagen. Im Nordosten und Westen der USA lag die Rate dagegen jeweils bei 40% (Finkelhor et al. 2019, S. 1994f.). (Ist es reiner Zufall, dass in den USA Staaten mit hohen Gewaltraten gegen Kinder eher sogenannte rote Staaten (also politisch konservativer) sind und dass die Staaten mit niedrigeren Gewaltraten eher blaue Staaten (also politisch liberaler) sind?)

Es steht außer Frage, dass etliche weitere Einflussfaktoren in den Blick genommen werden müssen, um destruktive Prozesse in den USA deuten und verstehen zu können. Was mich aber immer wieder erstaunt ist, dass die o.g. Kindheitshintergründe bei der Bewertung dieser Prozesse fast immer ausgeklammert werden. Das ist eine fahrlässige Lücke! 



Quellen:

Merrick, M. T., Ford, D. C., Ports, K. A., & Guinn, A. S. (2018): Prevalence of Adverse Childhood Experiences From the 2011-2014 Behavioral Risk Factor Surveillance System in 23 States. In: JAMA pediatrics, 172(11), S. 1038–1044.

Finkelhor, D., Turner, H., Wormuth, B. K., Vanderminden, J. & Hamby, S. (2019): Corporal Punishment: Current Rates from a National Survey. In: Journal of Child and Family Studies. Volume 28, Issue 7, S. 1991–1997.