Donnerstag, 14. April 2016

Kindheit von Extremisten vor einem Millionenpublikum diskutiert, aber nicht genug

Unter dem Titel „Terror im Namen Gottes - hat der Islam ein Gewaltproblem?“ wurde am 11.04.2016 die ARD Sendung „Hart aber Fair“ ausgestrahlt. Ab ca. Minute 49 wurde ich hellhörig. Der Moderator Frank Plasberg leitete einen kurzen Infofilm folgendermaßen ein: „Wie passiert das eigentlich? Wann entscheidet sich ein Mensch, der hier mitten in der Gesellschaft geboren worden ist, sich zu radikalisieren? Was macht ihn so anfällig? (…) Das BKA hat dazu eine interessante Studie gemacht.“
Bei dem Satz „Was macht ihn anfällig?“ hatte ich diesmal bereits ein komisches Gefühl. "Kommt da jetzt etwa was?", dachte ich. Normalerweise kommt nach solchen Sätzen nichts, was in meinen Augen die wirklichen Ursachen beleuchtet. Ich hielt kurz den Atem an und tatsächlich kam danach der Satz mit dem BKA. Dann sah ich die Zahl bzgl. 39 befragter Extremisten (die BKA Studie habe ich im Blog hier besprochen) und mir war klar, was jetzt kommt.

Es wurden dann in der Tat die Gemeinsamkeiten zwischen Rechtsextremisten, Linksextremisten und Islamisten herausgestellt: Eine kaputte, schwierige Familien (Trennung/Todesfälle, Alkohol/Drogen und/oder Gewalt).
Das Fazit der Studie wurde bei „Hart aber Fair“ wie folgt zitiert: „In welchem Extremismus diese Personen (…) landen, ist letztlich reiner Zufall.“ und „Überspitzt gesagt: Ein Islamist aus Dinslaken hätte in Sachsen genauso gut ein Rechtsradikaler oder in bestimmten Stadtteilen Berlins oder Hamburgs ein Linksradikaler werden können.“

Daraufhin bekam der anwesende Präsident des BKA - Holger Münch - das Wort: „Die Studie ist klein. Aber schon nach 30 Interviews gab es eigentlich keine neuen Informationen mehr. Diese Muster waren immer identisch.“, sagte er u.a.
Der Historiker Michael Wolffsohn fügte dann gleich kritisch an, dass der Muslim aus Dinslaken nicht zu den Linksradikalen und nicht zu den Rechtsradikalen gehen wird.  „Das ist keine wissenschaftliche Studie!“, sagte er. Immerhin versuchte Grünenfraktionschefin Katrin Göring-Eckhardt noch einmal zu erklären, dass die Ergebnisse der Studie schon hilfreich und der Prozesse der Radikalisierung identisch seien. 

Für mich war diese Sendung ein kleiner Erfolg. Immerhin wurde vor einem Millionenpublikum das Thema Kindheit von Extremisten aufgemacht. Dies kommt immer noch so selten bzw. fast gar nicht vor, dass ich dieses Ereignis hier mit diesem Blog-Beitrag hervorheben möchte. Irgendwann wird das Thema zu einer Selbstverständlichkeit werden, wenn es um Gewaltursachen geht.

Was mich störte: Die Diskussion um die BKA Studie wurde
1. von dem Einwand des Herren Wolffsohn gestört. Komisch, irgendwie gibt es bei solchen Diskussionen - auch im kleineren Rahmen oder in Onlineforen etc. - immer mindestens eine Person, die sofort dazwischenfeuert und der Sache die Luft rauben möchte, bevor sie überhaupt richtig vordergründig diskutiert und auch emotional verstanden wird. Ich habe noch nie erlebt, dass das Thema mal einfach angenommen oder auch mal kurz inne gehalten wurde. Danach findet man selten zur Spur zurück, weil man sich mit dem „Störfeuer“ befassen muss.

2.  Das Thema Kindheit wurde zwar eröffnet, aber nicht wirklich in den Vordergrund gestellt! Mir fehlten ein paar emotional kräftige Sätze was die Kindheitserlebnisse angeht. Worte wie „Probleme im Elternhaus“ sind da zu schwach, berühren nicht, werden der Realität auch nicht gerecht. Über den Hass als Ausdruck des aufgestauten Hasses in der Kindheit wurde kein Wort verloren. Auch das Wort Kinderschutz als ein wesentlicher Zweig für Prävention von Extremismus fiel nicht. Ebenfalls stand nicht die Frage im Raum, ob als Kind geliebte Menschen überhaupt Extremisten werden könnten. Solche Diskussionen sind ein Fortschritt, das erwähnte ich zuvor. Aber sie helfen in dieser Form nicht, den Nebel zu lichten. Die Menschen müssen verbal innerhalb solcher Diskussionen mit dem Kopf auf das Thema gestoßen werden, sonst drehen sie sich wieder weg.

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