Mittwoch, 31. August 2011

Rückblick auf EHEC

Wir haben Ende August und es wird Zeit für einen kurzen Rückblick auf EHEC bzw. das Ausmass der Erkrankungen und Todesfälle:
Im Verlauf des Ausbruchsgeschehens wurden dem RKI insgesamt 4321 Fälle gemeldet, davon 3469 EHEC-Fälle und 852 HUS-Fälle. Insgesamt 50 Patienten sind gestorben, darunter 18 EHEC-Erkrankte und 32 HUS-Patienten.“ (Pressemitteilung des Robert Koch-Instituts vom 26.07.2011)
Außergewöhnlich hoch war die Fallzahl der Infizierten und die Schwere der Krankheitsverläufe, das ist unbestritten und tragisch. Insgesamt sind 50 Menschen gestorben. Davon, nach meinem Eindruck der damaligen Berichterstattung, ein hoher Anteil von Menschen im hohen Alter. Trotz dieser tragischen Todesfälle lässt sich im Rückblick bestätigen, dass die damalige Berichterstattung extrem panisch und hysterisch war. „Wir werden alle sterben, wenn wir Gemüse essen“, so könnte man die emotionale Lage der Medien und Menschen rückblickend etwas überspitzt darstellen (wobei die Übertragung durch Gemüse oder Sprossen bis heute nicht einwandfrei nachgewiesen werden konnte). Gestorben sind 50 Menschen, keine hundert, keine Tausend oder mehr.

Interessant ist für mich rückblickend auch, dass die Panikwelle im Mai 2011 begann und diese Panik vornehmlich in Deutschland herrschte, dem Land, das sich im UN-Sicherheitsrat bzgl. des Libyeneinsatzes enthalten hatte. Andere westliche Länder hatte indes Libyens Diktator zum aktuellen Feind erklärt, den man militärisch bekämpfte. In Deutschland wurde zwar über den Einsatz berichtet, aber eine wirkliche „Feindbildsstimmung“ wurde nicht wirklich erreicht, schließlich hielten wir uns da weitgehend raus. Kurz nach Beginn der Bombardierungen in Libyen fanden wir einen anderen „Feind“: Den Feind in unserem Essen. (Siehe dazu auch u.a. Der aktuelle Feind ist ein Keim namens EHEC)

Der EHEC Ausbruch war sicherlich ein Zufall. Was medial daraus gemacht wurde wohl eher nicht.

Freitag, 26. August 2011

Libyen: Brauchte der Westen einen Feind und Menschenopfer?

Im “The New Zealand Herald” wurde unter dem Titel ”Amnesty questions Libyan mass rape” am 25.06.2011 berichtet, dass es laut Berichterstattern vor Ort keine Beweise für Massenvergewaltigungen oder Massenmord seitens der Truppen des Diktators gibt. Zitat: „Nato leaders, opposition groups and the media have produced a stream of stories since February 15 claiming the Gaddafi regime has ordered mass rapes, used foreign mercenaries and employed helicopters against civilian protesters. An investigation by Amnesty International has failed to find evidence for these human rights violations and in many cases has discredited or cast doubt on them.“
Die meisten Menschen starben – laut Amnesty International - in den ersten Tagen der Protestwelle in Benghazi, wo 100 bis 110 Menschen durch Anhänger oder Truppen des Diktators getötet wurden, und in Baida, wo 59 bis 64 Menschen starben. Dieses Zahlen sind schlimm, aber sie belegen, dass es keine unzähligen und massenhaften Tötungen in den Wochen vor dem NATO Einsatz gab oder gar die Gefahr eines Völkermordes bestand.
In Libyen war und ist die Schwelle zum Völkermord nicht überschritten“, sagte die Generalsekretärin der deutschen Amnesty-Sektion, Monika Lüke, dem Tagesspiegel. „Der Einsatz droht mehr Leid zu bringen, als er verhindert“, wird sie weiter zitiert.

Auch die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage (BT- Drs. 17/5409) unter dem Titel „Hintergründe des bewaffneten Angriffs auf Libyen“ bestätigt, dass „keine detaillierten Informationen über Angriffe der libyschen Luftwaffe auf Zivilisten“ vorliegen.

Sollten sich zukünftig weitere Beweise dafür finden lassen, dass Gaddafi nicht in dem Ausmass gegen Zivilisten vorging, wie es in den westlichen Medien so oft dargestellt wurde und sollten sich zukünftig Belege dafür finden, dass sehr viele Zivilisten durch die NATO Bombardierungen ums Leben kamen (Man gebe bei googel einmal "Tote NATO Einsatz Libyen Zivilisten" ein und finde etliche Artikel) oder durch diese in die Flucht getrieben wurden (Ich frage mich auch, wie viele Kinder allein dadurch traumatisiert wurden, dass täglich Bombeneinschläge durch NATO Angriffe - bei ca. 50 NATO-Kampfeinsätzen pro Tag - zu hören waren…), hätten wir hier folgende Situation:
Die reale Gewalt durch einen „Bösewicht“ wird zu Massenmord aufgebauscht, um dadurch militärische Einsätze zu rechtfertigen. Die folgenden militärischen Einsätze produzieren viel mehr Leid, Flüchtlinge, Zerstörung und Tote, als durch den eigentlich erklärten „Bösen“ zustande kam. Diesen „Bösen“ hat man vorher höchst persönlich selbst aufgerüstet.
Hier wird es dann psychohistorisch interessant, wenn auch erschreckend abgründig. Denn wenn eine Mehrheit der Bevölkerung als Kind Gewalt erlebte (was weiterhin auch für Europa gilt) und gleichzeitig ein starker ökonomischer und gesellschaftlicher Fortschritt stattfindet, steigt das Bedürfnis, Feinde zu finden und zu bekämpfen oder sich selbst zu opfern z.B. in Form von einer ökonomischen Krise, so die psychohistorische These. Derzeit findet offensichtlich beides statt. Vielleicht, weil das Feindbild „Diktator in Libyen“ nicht so viel hergibt, wie z.B. die früheren Feindbilder "Ostblock" oder "Osama bin Laden". Deutschland zeigte in der Libyenfrage, dass sich emotional einiges bei uns getan hat, denn unsere Regierung war nicht bereit, an der offensichtlichen Opferung von Menschen teilzunehmen. Dafür verdient sie Respekt (hätte nicht gedacht, dass ich das einmal schreiben würde…)!

Bereits jetzt kursieren Theorien bzgl. der "wahren Hintergründe" des NATO-Einsatzes. Es ginge - wie immer - um Rohstoffe und Geld. Wie schon beim Irakkrieg wird sich diese Theorie als Seifenblase erweisen. Schauen wir uns die aktuellen Exportpartner Libyens an: Italien 37%, Deutschland 16,6%, Spanien 11,9%, Türkei 7,1%, Frankreich 6,2%. Importpartner: Italien 25,5%, Deutschland 11%, Südkorea 6,1%, Vereinigtes Königreich 5,4%, Tunesien 4,7%, Türkei 4,6%. (vgl. http://www.ipicture.de/daten/wirtschaft_lybien.html) Die USA, Frankreich und Großbritannien - die Hauptakteure beim NATO Einsatz - haben bisher wirtschaftlich wenig mit dieser Region zu tun. Voraussichtlich wird sich das auch nach dem Krieg kaum ändern.

Mittwoch, 24. August 2011

Libyen: „Prügel für Westerwelle“ und all die anderen Weicheier

Westerwelle bekommt derzeit starke Kritik auf Grund seiner Äußerungen zu den aktuellen „Erfolgen“ der „Rebellen“ in Libyen. Der Außenminister hat sich in der Tat ungeschickt geäußert. Ich hätte mir gewünscht, dass er einfach gesagt hätte: „Wir stehen zu unserer Entscheidung der Enthaltung.“ Punkt.

Besorgniserregend finde ich viel mehr eine andere Entwicklung, die durch den heutigen Artikel „Prügel für Westerwelle“ in der Basler Zeitung deutlich rüberkommt: Krieg wird als notwendiges und erfolgreiches Mittel der westlichen Politik gefeiert. Länder und Politiker, die da nicht mitmachen, sind „Weicheier“ und verdienen (symbolisch) „Prügel“. Eine solche Tendenz und Symbolik verrät viel über tiefere, emotionale Beweggründe.

In den letzten Tagen sah man eine ganze Reihe von Fotos von den „Rebellen“, i.d.R. hatten sie Waffen in der Hand, standen siegessicher und feiernd vor zerbombten Gebäuden, brennenden Autos usw. Diese Leute wirken auf mich nicht weniger bedrohlich, als die Leute des Diktators. Sie wirken auf mich unberechenbar. „Einheiten der Aufständischen seien für Plünderungen, Brandstiftungen und Gewalt gegen Zivilisten verantwortlich“, erklärte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) im Juli (siehe hier). Diese Kurzmeldung las man hier und da. Bisher habe ich nicht wahrgenommen, dass in den Medien ein wirkliches Interesse daran besteht, die „Rebellen“ kritisch zu betrachten und Nachforschungen anzustellen.

Die hohen Opfer- und Flüchtlingszahlen scheinen auch schon vergessen. (siehe dazu Der Libyeneinsatz war bisher ein "voller Erfolg") Mehr noch, man meint, der NATO Einsatz hätte Menschenleben gerettet. Wie immer werden bei westlichen Kriegen die „Kollateralschäden“ gegen mögliche gerettet Menschenleben aufgerechnet. Man darf so und so viel Menschen opfern um so und so viel Menschen zu retten. Das ist eine Einstellung, die in allen anderen Bereichen des westlichen Lebens absolut undenkbar wäre! Nur im Krieg gegen "das Böse" außerhalb unserer Grenzen gilt diese Regel nicht mehr.

Gut und Böse wurden mal wieder sauber getrennt. Die Realität der weiteren Entwicklung unter einer möglichen Herrschaft der „Rebellen“ wird zeigen, ob dieses Bild so stimmt. Sofern sich der Westen nach der Bombardierung des Landes, Aufrüstung einer „Rebellenarmee“, Verdrängens dessen, dass man Diktator Gaddafi einst hofierte und selbst aufrüstete und einer nun gewonnen selbstherrlichen Sieges-/Machtdemonstration überhaupt noch für die Lebenssituation der Bevölkerung dort interessiert.

Info-Anhang: Seit Beginn des NATO Angriffs am 31.03.2011 hat das westliche Bündnis 20.121 Einsätze in Libyen durchgeführt, davon waren 7.587 Kampfeinsätze, also im Schnitt ca. 50 Kampfeinsätze pro Tag! (vgl. NATO Bericht vom 24.08.11)

Freitag, 19. August 2011

Stammesgesellschaften: Die Hälfte aller Männer erschlagen

Derzeit häufen sich Artikel, die die „Lust am Böse“ als quasi naturbedingt voraussetzen. So auch der aktuelle Artikel "Du darfst nicht immer töten" in der ZEIT.
Ich bin überzeugt, dass der Mensch darauf ausgelegt ist, Gewalt auszuüben.“, sagt der Neuropsychologe Thomas Elbert im Interview. Wobei er im Interview auch ganz andere Sachen sagt und mehrmals den Einfluss der Kindheit erwähnt. Naja…

Eine Passage möchte ich besonders kommentieren: „Menschen können Menschen töten, und in primitiven Kulturen tun sie das auch. Die Untersuchungen steinzeitlicher Kulturen zeigen, dass die Hälfte aller Männer erschlagen worden ist. Und von unserer genetischen Zusammensetzung sind wir nicht großartig anders als der Steinzeitmensch. Die Bereitschaft zu töten, war damals keine psychopathologische Variante, die selten auftritt. Es war die Regel.“
Wer sich mit der Psychohistorie auskennt, kennt die eigentlichen Antworten auf diese Feststellung. In der Tat mordeten die Menschen früher mehr bzw. wird in Stammesgesellschaften mehr Gewalt ausgeübt. Auf Wikipedia kann man sich dazu eine interessante Grafik anschauen. In Stammesgesellschaften war der Anteil der Kriegstoten um ein Vielfaches höher, als im Europa oder den USA des 20. Jahrhunderts. Die Antwort liegt allerdings nicht in der „Natur des Bösen“, sondern in den Kindheiten zu früheren Zeiten bzw. den Kindheiten in Stammesgesellschaften: Historische Kindererziehungspraktiken und Persönlichkeiten

Zwei alte Männer und die Revolution

Kürzlich bekam ich das Gespräch zwischen zwei älteren Männern mit (ca. Mitte 60 und Anfang/Mitte 70). Beide unterhielten sich darüber, dass heutzutage den jungen Leuten in der Ausbildung mehr ihre Rechte als ihre Pflichten aufgezeigt würden. Die Jungen würden zu viel Widerspruch zeigen, aber dabei gleichzeitig ihre Pflichten vernachlässigen. Früher war das anders. Da gab es schon mal von dem Lehrer ordentlich mit dem Rohrstock was auf die Finger. Beide lachten. „Und der Lehrer war auch noch ein Freund meines Vaters.“, sagte der eine. „Wenn ich meinem Vater davon erzählt hätte, hätte ich zu Hause auch noch gleich was hinten drauf bekommen“. Beide lachten wieder.

Hier zeigt sich, wie fatal die Misshandlung von Kindern wirkt. Beide Männer haben offensichtlich keinen emotionalen Zugang zu dem Kind, das sie damals waren. Wenn sie einen Zugang zu ihrer Geschichte hätten, würden sie nicht über das lachen, was sie berichteten. Sie wären ernst und würden sagen: „Das war schlimm und gut das es heute anders ist.“ Ein Vater, der ein Kind schlagen würde, wenn es berichtet, dass es vom Lehrer geschlagen wurde, ist ein Albtraum!

Mir wurde durch diese Beobachtung mal wieder sehr deutlich, was für eine tiefe Umwälzung ja Revolution sich in unserem Land bzgl. des Umgangs mit Kindern vollzogen hat. Eine Revolution (vielleicht die größte Revolution, die unser Land je erlebt hat), die langsam und leise stattfand und über deren enormen Auswirkungen kaum jemand wirklich nachdenkt oder gar wissenschaftlich forscht. Dieser Entwicklungsprozess ist noch im vollen Gange und ist gleichzeitig ein Prozess, der vom öffentlichen Bewusstsein ausgeklammert bleibt. Schade eigentlich.

Montag, 15. August 2011

Samstag, 6. August 2011

Studie "Die Sicht der Anderen". Wie Extremismus entsteht.

Auf die Studie "Lützinger, S., Kraus, B., Mathes, C. & Schweer, T.
(2010): Die Sicht der Anderen. Eine qualitative Studie zu Biographien von Extremisten und Terroristen (Polizei + Forschung Bd. 40). BKA – Bundeskriminalamt, Kriminalistisches Institut (Hrsg.). Köln: Luchterhand Fachverlag."  hatte ich ja bereits im Zusammenhang mit dem Attentäter Breivik kurz hingewiesen. Jetzt möchte ich darauf noch mal etwas näher eingehen. Für die Studie wurden die Biographien von insgesamt 39 Personen verglichen, die dem Links- oder Rechtsextremismus sowie Islamismus zugeordnet werden können.

Einige zentrale Ergebnisse möchte ich kurz vorstellen:

Innerhalb der Familien der Befragten herrschte allgemein viel Stress, „familiäres Chaos“ und es gab kaum oder keine Bewältigungsstrategien bzgl. Konflikten und Problemen. Allen Familien war gemeinsam, dass problematische Sachverhalte nicht konstruktiv miteinander kommuniziert und bearbeitet, sondern allenfalls in Form von Vorwürfen oder Schuldzuweisungen thematisiert wurden. Die Befragten waren vornehmlich auf sich selbst gestellt, wenn sie Probleme lösen mussten und konnten kaum Hilfe in ihrer Familie erwarten bzw. fühlten sich von dieser allein gelassen. Schon früh waren die Befragten mit zahlreichen Entwicklungsbelastungen wie z.B. Wechsel von Bezugspersonen oder Verlust eines Familienangehörigen konfrontiert. In einigen Fällen entzogen sich Familienmitglieder jedoch auch, indem sie beispielsweise „über Nacht“ die Familie verließen oder es vorzogen, sich auf andere soziale Umfelder (z.B. den Freundeskreis, die Arbeit) zu konzentrieren.

In allen Familien standen deutliche familiäre Belastungen im Hintergrund, die sich in Suchterkrankungen der Eltern, Verlusterlebnissen und schwerster häuslicher Gewalt ausdrückten. In keinem Fall kann von einem intakten Elternhaus gesprochen werden.“ (S. 28)

In den meisten Biographien spielten Gewalt und Unterdrückung schon im Kindesalter eine Rolle. Etwa die Hälfte aller Befragten berichtete von gewalttätigen Elternhäusern, in denen sie mit zum Teil erheblichen gewalttätigen Ausschreitungen und Misshandlungen konfrontiert waren. Die rechtsorientierten Befragten berichteten das heftigste Ausmaß. Gewalt richtete sich nicht ausschließlich gegen die Kinder, sondern spielte sich auch zwischen den Eltern ab. So erzählte beispielsweise ein Befragter, die eigene Mutter bewusstlos, in einer Blutlache liegend aufgefunden zu haben. Andere berichteten über schwerste Misshandlungen, die vom mutwilligen Zufügen von Brandwunden bis hin zu Tötungsversuchen reichten.“ (S. 31)

Resümierend kann festgehalten werden, dass die hier untersuchten Biographien grundlegend entwicklungsbelastete Personen charakterisieren, die mangels eines funktionierenden und eine gesunde und gelingende psychosoziale Entwicklung garantierenden Elternhauses äußerst prekäre soziale Kontakte eingegangen sind. Das jeweilige extremistisch-terroristische Milieu bzw. Gruppenangebot fungierte als Ersatz für ein funktional und strukturell gestörtes Elternhaus." (S. 75f)

Diese qualitative Studie ist sehr interessant und zeigt vor allem eines: Kinder, die in intakten Elternhäusern aufwachsen dürfen, werden nicht zu Extremisten! Die Studie zeigt auch auf, dass bzgl. der Prävention von Gewalt und Extremismus beim Jugend- und Kinderschutz bzw. bei der Jugendarbeit angesetzt werden muss. Auffallend bei den Befragten war, dass sie sich eine „Ersatzfamilie“ bei destruktiven Peergroups oder extremistischen Gruppen suchten und diese eher zufällig je nach vorhandenem Angebot und Milieuzugang auswählten. Hier kann und muss regionale Jugendarbeit ansetzen und konstruktive „Familienersatzangebote“ machen. Interessant für diesen Blog ist auch, dass einige der Befragten zur Bundeswehr gehen wollten, aber oft abgelehnt wurden und andere Wege gingen.

Freitag, 5. August 2011

Nachdenkliches zur aktuellen Medienentwicklung

Einige hundert Medienmeldungen befassen sich derzeit mit der „Panik an den Börsen“, wie ich auf nachrichten.de unter „Wirtschaft“ lesen konnte. (Dabei fiel mir als erstes ein, dass im Grunde der Irak- und auch der Afghanistankrieg die Hauptursachen für die aktuelle Schuldenlast der USA darstellen und somit beide Kriege – wie wohl alle Kriege - sehr viel mit Selbstzerstörung zu tun hatten.)

Was mir merkwürdig dabei ins Auge fiel ist, dass sich parallel in den Medien Berichte über Kindesmissbrauch, Kindesentführung, Kindermord und verhungernden Kindern in Somalia häuften. Alle vier Medienthemen sind nicht einfach vom Himmel gefallen, sondern entstammen der Realität aktueller Gerichtsurteile und einer realen, katastrophalen Hungersnot. Trotzdem finde ich dieses zeitgleiche Aufeinandertreffen von solchen Themen und den massiven Einbrüchen an den Börsen (und entsprechenden Untergangsängsten) bemerkenswert (dazu kommen noch aktuelle Titelthemen im SPIEGEL, Stern und Focus - siehe unten).

Um für mich gedanklich die aktuellen Medienentwicklungen festzuhalten, fasse ich einfach mal meine Beobachtungen zusammen:

161 Medienmeldungen verzeichnet das Netzwerk nachrichten.de am 05.08.2011 zur Verurteilung des US-Sektenführers Warren Jeffs wegen Kindesmissbrauches.

Beispielhafte Titel lauten „Kindes-Missbrauch: US-Sekten-Chef verurteilt“ 05.08.11, bz-berlin.de, „US-Polygamie-Verfechter des Missbrauchs schuldig“, 05.08.11, suedkurier.de oder „Sektenführer wegen Sex mit Kindern verurteilt“, 05.08.11, morgenpost.de

131 Meldungen befassen sich mit der Verurteilung des wegen Kindesentführung eines vierjährigen Mädchens angeklagten von Kleinmachnow, der heute zu neun Jahren Haft verurteilt wurde.
(http://www.nachrichten.de/panorama/Urteil-Potsdam-Prozess-Staatsanwaltschaft-Angeklagt-cid_6950357/)

103 Medienberichte beschäftigen sich heute mit der Hungersnot in Somalia. (http://www.nachrichten.de/politik/Somalia-Koeln-ARD-Tagesthemen-Bundesdeutsch-Hungerkatastrophe-cid_6948642/meldungen/) Viele Berichte zeigen ausgehungerte Kinder und Babys auf Fotos, z.B. die Berliner Morgenpost oder beziffern die Anzahl toter Kinder.

Ganze 1.640 Meldungen befassten sich innerhalb der letzten Woche mit dem Kindermörder Magnus Gäfgen, der 3.000 € Entschädigung auf Grund von Drohungen eines Polizeibeamten zugesprochen bekommen hat.
(http://www.nachrichten.de/thema/Magnus-Gaefgen/)

Dazu kommt das aktuelle Titelthema des Stern Nr. 32, 4.8.2011
Verletzte Seele. Wie traumatische Erlebnisse unser Leben beeinträchtigen - und welche Hilfe es gibt.“ Auf dem Titelbild ist eine junge Frau zu sehen, die verschiedene Sätze auf ihr Gesicht geschrieben bekommen hat wie z.B. „Immer wieder kommt diese Angst“ oder „Ich kann nicht vergessen

Oder der SPIEGEl Nr. 31/2011, der im Titelthema „Die Spur des Bösen“ verfolgt und den Attentäter Breivik in verschwommenen höllenrot dargestellt hat.

Oder der Focus Nr. 31 vom 1. August 2011, der mit „Die Über-Väter“ titelte, „Helmut Kohl, Willy Brandt und Millionen andere Männer: Wie Söhne Macht erleben“.

Ich finde dieses Gemisch an Titeln, Themen und realen Ereignissen äußert bemerkenswert. Realität schafft Berichterstattung, sicher. Aber Berichterstattung erschafft auch Realität. Und (Gruppen)-Fantasien und unbewusste Vorgänge haben wiederum Einfluss auf die Berichterstattung. Gerade auch in Anbetracht der hier in den letzten Wochen gemachten Beobachtungen bzgl. der Suche nach Feinden, Vergiftungsängsten usw. ist die aktuelle Medienlage äußert ... tja…mir fehlt da im Grunde das richtige Wort…irritierend und aufschlussreich zugleich wäre vielleicht das passende. Wir werden sehen, wie die Entwicklungen weitergehen.

Ich glaube, mensch muss sich einmal vorstellen, dass „die Medien“ die Psyche eines einzigen Menschen wäre, um ein wirkliches Erstaunen zu erzeugen und um emotionale Prozesse sichtbar zu machen.