Dienstag, 11. Januar 2011

Attentat und die mögliche Geschichte dahinter

Jared Lee Loughner, der Attentäter von Arizona, erwähnte in seinem YouTube-Profil nach verschiedenen Medienberichten als seine Lieblingsbücher u.a. Hitlers „Mein Kampf“, "Fahrenheit 451", "Das kommunistische Manifest" und "Peter Pan". Die Zeit berichtet zudem, dass er auch „Alice im Wunderland“ gerne las.
Dies ist erst mal auf den ersten Blick eine verwirrende Auswahl an Büchern und – wäre da nicht „Mein Kampf“ dazwischen – sicherlich auch nichts, was besonderer Erwähnung bedürfte. Ich denke, dass jemand, der „Mein Kampf“ als Lieblingsbuch aufzählt, schon sehr viel über sich und seine Persönlichkeitsstruktur sagt. Allerdings verbinden sich diese Bücher auch. Hitlers Hassbuch, Marx radikale Gesellschaftstheorie, das Bücherhassbuch "Fahrenheit 451" und – für die meisten vielleicht besonders irritierend - die Kinderbücher Peter Pan und Alice im Wunderland, letztere sind die Auslöser für diesen Beitrag hier.

Viele Menschen werden diese beiden Kinderbücher lieben und das sei ihnen auch gelassen. Wenn jemand wie Jared Lee Loughner diese als Lieblingsbücher aufzählt, werde ich allerdings hellhörig. Der Hamburger Sexualwissenschaftler Professor Wolfgang Berner berichtete in einem Interview einmal: „Lewis Carrol, der "Alice im Wunderland" schrieb, war wohl ein Pädophiler. Ebenso James M. Barrie, der Autor von "Peter Pan" - dem Jungen, der nie erwachsen wurde.“ (Michael Jackson war ja auch nicht ohne Grund ein Peter Pan Fan und nannte seine Ranch „Neverland“.) Damit will ich nicht sagen, dass Loughner „pädophil“ ist. Nein, hier geht es um die Faszination, die diese beiden Bücher bei ihm auslösten. In beiden Geschichten finden sich symbolisch und in der Handlung viele Botschaften, die auf destruktive Elternfiguren und leidgeprüfte Kinder hinweisen. „Pädophile“ sind keine Kinderliebhaber, wie das Wort nahe legt, viel mehr sind sie Hasser. Ihren Hass haben sie nur sexualisiert. Hass und Gewalt tauchen hier deutlich auch in beiden Kinderbüchern auf. Dass Loughner beide Bücher liebte, verwundert vor den o.g. Hintergründen insofern nicht. Und natürlich vermute ich auch eine sehr leidvolle Kindheitsgeschichte bei diesem Attentäter, ohne seine Tat entschuldigen zu wollen. (Psychohistorisch wäre es interessant, wie sich dieses Attentat vorher möglicherweise in Bildern und Symbolen in den US-Medien aufbaute.) Der SPIEGEL berichtet: "Über Loughners eher bürgerliches Familienleben mit den Eltern Amy und Randy ist wenig bekannt. Nachbarn bezeichneten die Beziehungen der drei zueinander als "undurchschaubar", das Verhalten des Vaters als bisweilen "unangenehm" oder angriffslustig." Mehr ist wohl bisher nicht bekannt.

Bilder und Geschichten haben oft eine Bedeutung, werden aber von der Öffentlichkeit meist kaum wahrgenommen oder gedeutet. Dies wird auch an Hand eines anderern blutigen Falls deutlich. Der Schauspieler Michael Brea hat kürzlich seiner Mutter mit einem Samurai-Schwert den Kopf abgeschlagen. Er rechtfertigte die Tat so: "Ich habe sie nicht getötet. Ich tötete nur den Dämon in ihr. Es war der Wille Gottes. Gott erschien mir eines nachts über meinem Bett. Ich fühlte mich wie Neo im Film Matrix. Ich hörte Stimmen und fühlte mich stark."

Ludwig Janus hat einen Beitrag zum Film Matrix geschrieben: „Überlegungen zum Film »Matrix« Ich kenne den Beitrag noch nicht, kann mir den Inhalt allerdings gut vorstellen. Der Film ist voll von Verbindungen zu verdrängten/abgespaltenen traumatischen Kindheitserfahrungen. Dies kann ich hier jetzt nicht alles besprechen. Ein Hinweis sagt allerdings schon viel aus. Morpheus sagt im Film zu Neo: „Ich will dir sagen, wieso du hier bist. Du bist hier, weil du etwas weißt. Etwas, das du nicht erklären kannst. Aber du fühlst es. Du fühlst es schon dein ganzes Leben lang, dass mit der Welt etwas nicht stimmt. Du weißt nicht was, aber es ist da. Wie ein Splitter in deinem Kopf, der dich verrückt macht. Dieses Gefühl hat dich zu mir geführt.“
Am besten hat vielleicht Alice Miller in ihren Büchern beschrieben, was hier im Film bildlich ausgedrückt wird. Das verbannte Wissen um den Selbstverrat des Kindes, das sich mit seinen gewalttätigen Eltern identifizieren muss, um zu überleben und später immer mit dem Gefühl durchs Leben geht, dass da "etwas" ist, was sich aber nicht erklären lässt.
Die wenigsten misshandelten Kinder rächen sich allerdings direkt bei ihren Peinigern, so wie Michael Brea dies wohl tat. Sondern sie agieren ihre Rache an anderen Stellen aus, suchen stellvertretende Opfer oder tun sich selbst Gewalt an.

Nochmal zum Abschluss: Bilder und Geschichten haben eine Bedeutung, dies gilt vor allem, wenn es um Attentäter und ähnliche Menschen geht. Wir sollten genauer hinschauen, was diese Bilder uns erzählen.

2 Kommentare:

mb hat gesagt…

hallo sven

vielen dank für deine interessanten beiträge! sie sind immer hochinteressant zu lesen!

ich kann dir gar nicht sagen, wie recht ich dir gebe in deinen ansichten und analysen!

ich habe einige bücher von lloyd demause und arno grün gelesen und möchte jetzt mit den büchern von alice miller anfangen. (ich habe vor kurzem ihren text zu adolf hitlers kindheit gelesen.)

dass dieses attentat in amerika geschehen ist, verwundert micht nicht, ich habe schon darauf gewartet. es würde mich auch nicht verwundern, wenn es noch mehr solcher attentate gäbe.

es ist schon erstaunlich, wie gut die analysen von lloyd demause auf die aktuelle athmosphäre in amerika passen.

wenn sich seine vorhersagen bewahrheiten, steuern wir wohl auf interessante zeiten zu.


vielen dank jedenfalls für deine arbeit, ich lese deinen blog immer wieder gerne!

grüsse, mb

Sven Fuchs hat gesagt…

Hallo mb,

danke für die positive Kritik!

Bei mir wars damals genau umgekehrt. Ich habe zu erst mit Alice Miller angefangen, bin dann zu Arno Gruen und erst am Schluss zu deMause gekommen. Miller ist da eher die einfühlsame Therapeutin, die die Dinge bildlich deutlich macht, Gruen der Philosoph und deMause der (emotionale) Wissenschaftler, wie ich finde. Letzterer bietet am meisten kreative Ideen und Thesen, die es weiterzustricken gilt.

Herzlichen Gruss