Donnerstag, 22. April 2010

Hat Angela Merkel Angst vor imaginären Feinden?

In ihrer heutigen Regierungserklärung zitierte Angela Merkel den früheren SPD-Verteidigungsminister Peter Struck: „Deutschlands Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt". Sie habe bisher keine treffendere Zusammenfassung gehört, als diesen Satz, sagte sie. "Dieses Mandat ist über jeden vernünftigen völkerrechtlichen oder verfassungsrechtlichen Zweifel erhaben." (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,690503,00.html)
und die Soldaten in Afghanistan lebten in ständiger Angst um ihr Leben, "damit wir in Deutschland nicht in Angst leben müssen". (http://www.angela-merkel.de/page/102_457.htm) dies war der Schlusssatz ihrer Rede, dem sie offenbar eine besondere Bedeutung beimessen wollte.

Warum hat unsere Staatschefin Angst vor Menschen, die auf der anderen Seite der Welt leben und i.d.R. sicherlich nicht mal wissen, wo Deutschland überhaupt liegt? Nun, nachdem deutsche Truppen vor Ort sind, wissen es jetzt vielleicht ein paar Leute mehr. Angst vor einem imaginären Feind… das macht mich sehr nachdenklich, dies von Frau Merkel zu hören.

Gestern erschien in der ZEIT-Online auch ein Artikel über einen traumatisierten, deutschen Soldat.
„In Afghanistan überlebte er 2002 knapp die Explosion einer Rakete, als eine Entschärfung durch Sprengmeister misslang. Fünf Kameraden, drei Dänen und zwei Deutsche, zerfetzte die Detonation. In seinen Flashbacks, den Tagalpträumen, sieht Robert Sedlatzek-Müller immer wieder die Bilder vom Explosionsort bei Kabul. (…) Verwandte und Freunde wussten nichts von Razzien in Dörfern oder Hausdurchsuchungen, um Taliban zu finden. Was Sedlatzek-Müller und andere Elitesoldaten in Afghanistan machten, ahnte in Deutschland kaum einer. Brunnen bohren, Mädchenschulen aufbauen, das verbanden seine Bekannten mit der Mission am Hindukusch.“ (http://www.zeit.de/politik/deutschland/2010-04/Veteranen_traumatisiert)

Es ist nur ein Nebensatz in diesem Artikel, „Razzien in Dörfern oder Hausdurchsuchungen, um Taliban zu finden“. Mal ehrlich, das Bild in der Öffentlichkeit von den deutschen Soldaten ist doch ein anderes. Razzien übernehmen die Amerikaner (mir all ihren schrecklichen „Nebenwirkungen“ und „Kollateralschäden“), wir Deutschen unterstützen den zivilen Aufbau, ist doch klar. Der oben zitierte Soldat spricht über das, was er in Afghanistan machte. Auch Deutsche verbreiten also Schrecken und Terror in afghanischen Dörfern. Woran erkennt man denn einen Taliban, wenn man nachts ein Haus einer Familie in irgendeinem verarmten Dorf durchsucht, Frau Merkel? Haben sie wirklich Angst vor afghanischen Familien, denken sie, dass diese die Mittel haben, in Deutschland ihren geliebten Bundestag oder andere Einrichtungen anzugreifen? Und wenn es 1-2 Terroristen aus diesem Land wirklich gelingen würde, dies zu tun, wollen sie dann die Truppen in Afghanistan aufstocken, um Rache zu nehmen? Und woran erkennen sie dann, dass ihre Rache die „Richtigen“ trifft?

Gregor Gysi warnte in der Diskussion vor einem Fiasko. "Man kann mittels Krieg Terrorismus nicht bekämpfen, man erzeugt nur neuen." und nachdem Gysi auf die mangelhafte psychologische Unterstützung von SoldatInnen hinwies rief Dr. Martin Lindner (FDP) ihm zu: "Sie brauchen auch einen (Psychiater)!" "Sie können mich ruhig als geistig gestört betrachten, aber das sagt etwas über Ihr Niveau, nicht über mein Niveau.", antwortete Gysi. (http://www.linksfraktion.de/rede.php?artikel=1310122181)
Als verrückt gilt der, der gegen Krieg ist, das durchzieht den Lauf der Geschichte und dies sagt in der Tat viel über die emotionalen Zustände in der Welt aus. Glücklicherweise werden die Menschen Stück für Stück immer emphatischer, eben weil sich die Emphatie gegenüber Kindern weiterentwickelt. Deutschland wird es irgendwann schaffen, sich auch ohne Krieg und militärische Aufrüstung sicher und ohne Angst zu fühlen, da bin ich sicher.

Gysi berichtet u.a. auch folgende Erfolgsstory des Krieges: "Die UNO berichtete, dass nach fast neun Jahren Krieg neben einigen Fortschritten Folgendes festzustellen ist: Die Zahl der Menschen, die in Afghanistan in Armut lebt, ist von 33 auf 42 Prozent gestiegen. Unterernährt sind nicht mehr 30 Prozent, sondern 39 Prozent der Afghaninnen und Afghanen. Zugang zu sanitären Einrichtungen haben nicht mehr 12 Prozent der Bevölkerung, sondern nur noch 5,2 Prozent der Bevölkerung. In Slums leben nicht mehr 2,4 Millionen, sondern 4,5 Millionen Menschen. All das belegen die Zahlen der UNO. Von den Jugendlichen sind nicht mehr nur 26 Prozent, sondern 47 Prozent arbeitslos. Mohnfelder zur Gewinnung von Rauschgift umfassen nicht mehr 131000, sondern 193000 Hektar."

Frau Merkel sollte sich übrigens mal u.a. anhören, was aktuell Daniel Ellsberg zum Afghanistan Krieg zu sagen hat. Ellsberg hatte während des Vietnam Krieges geheime Dokumente veröffentlicht, die mit dazu beitrugen, dass dieser Krieg beendet wurde. "Das beste Instrument unserer Feinde, neue Kämpfer zu rekrutieren," sei damals wie heute "die Präsenz ausländischer Truppen", sagte Ellsberg mahnend.(http://www.jungewelt.de/2010/04-01/036.php) Auch damals brachten Truppenaufstockungen immer mehr Gewalt und keine Lösung.

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