Montag, 4. Mai 2009

Kindheit von Saddam Hussein

Im Grundlagentext habe ich die Schilderungen über die Kindheit von Saddam Hussein noch mal wesentlich durch die Quelle "Coughlin, C. 2002: Saddam Hussein. Porträt eines Diktators. List Verlag, München." ergänzt.

Bzgl. der traumatischen Kindheit von Saddam Hussein standen mir ursprünglich nur einige kurze Passagen durch die Quelle deMause (2005) zur Verfügung. Im Internet fand ich fast nichts dazu. Ich vermutete, dass es wohl kaum gesicherte und ausführliche Darstellungen über seine Kindheit in einem kleinen irakischen Dorf geben würde. Falsch gedacht! Coughlin (2002) beschreibt Saddams Kindheit ausführlich in einem eigenen Kapitel und geht insbesondere auch auf die vielen Gewalterfahrungen ein, was fast schon etwas ungewöhnlich für einen Biographen ist. Ich hatte mit einem hohen Ausmass von Gewalt gegen Saddam gerechnet. Was ich bei Coughlin las, übertraf meine Vermutungen.
Ich frage mich, wer im Angesicht dieser Gewaltexzesse gegen das Kind Saddam noch ernsthaft die Augen vor einem deutlichen Zusammenhang von Saddams Kindheit und seiner späteren mörderischen Politik verschließen möchte?


Der Text lautet jetzt wie folgt:

Auch der irakische Diktator Saddam Hussein hatte laut deMause (2005) „eine unglaublich traumatische Kindheit“. „Seine Mutter versuchte ihn abzutreiben, indem sie mit den Fäusten gegen ihren Unterleib schlug, sich mit einem Küchenmesser schnitt und dabei schrie: „In meinem Bauch trage ich einen Satan!“ „ (deMause, 2005, S. 29) Saddam verlor früh den Vater, wobei die Umstände dessen Verschwindens im Dunkeln bleiben. Zur Vaterfigur wurde ein Onkel mütterlicherseits – Khairallah Tulfah -, bei dem Saddam unterkam und den er bewunderte. Dieser Onkel wird von Coughlin (2002) als „streitsüchtiger und launischer Mensch“ und als „unbelehrbarer Bewunderer Adolf Hitlers und des Nationalsozialismus“ beschrieben. (vgl. Coughlin, 2002, S. 46) DeMause schreibt, dass Saddam regelmäßig von diesem Onkel geschlagen wurde, dieser ihn den „Sohn eines Köters“ nannte und er Saddam beibrachte, wie man eine Waffe gebraucht. (vgl. deMause, 2005, S. 29) Khairallah kam schließlich für seine Naziverehrung ins Gefängnis und der junge Saddam musste wieder bei seiner Mutter leben, die mittlerweile einen neuen Mann gefunden hatte. Willkommen geheißen wurde er nicht und er scheint in seinem zu Hause „sträflich vernachlässigt worden zu sein“. Der neue Stiefvater war zudem brutal. Er „(...) verpasste dem kleinen Jungen gern eine Tracht Prügel mit einem mit Asphalt überzogenen Stock.“ (Coughlin, 2002, S. 48) Saddam Hussein vertraute dem offiziellen Biographen Iskander an, dass er niemals jung und unbeschwert war, sondern stets ein eher trauriges Kind, das sich von den anderen fern hielt. Coughlin spekuliert auch über einen möglichen sexuellen Missbrauch Saddams durch den Stiefvater. (vgl. ebd.) Da Saddam vaterlos und ein Außenseiter war, wurde er zusätzlich gnadenlos von den anderen Kindern des Dorfes gehänselt und oft auch verprügelt. „Er wurde so schlimm drangsaliert, dass er sich angewöhnte, zur Verteidigung einen Eisenstab mitzunehmen, wenn er sich aus dem Haus wagte.“ (ebd., S. 49)
Saddam Hussein vergötterte seine Mutter (die nebenbei bemerkt auf keinem erhaltenden Foto lächelte, sondern eher finster dreinblickte) bis zu ihrem Tode, worüber sich der Biograph Coughlin „angesichts der Erniedrigungen“ sehr wundert. (Anmerkung: Wenn man sich die Fakten anschaut, erscheint Saddams Bezeichnung für den ersten Golfkrieg als "Mutter aller Schlachten" in einem ganz anderen Licht...)Ebenso verehrte er seinen (gewalttätigen) Onkel, den er später zum Bürgermeister von Bagdad machte. Hier findet sich erneut eine starke Identifikation mit den Aggressoren.
Saddam Hussein verübte nach deMause seinen ersten Mord im Alter von 11 Jahren... (vgl. deMause, 2005, S. 29)



Nachbemerkung:
Alice Miller sprach sich in einem SPIEGEL-Online Artikel für die Todesstrafe gegen Saddam Hussein aus. „Selbstverständlich bin ich gegen die Todesstrafe im Allgemeinen, doch mit Ausnahme der Diktatoren. Es geht mir hier nicht um die "gerechte Strafe", sondern vielmehr um Prävention, um die Vorbeugung von neuen mörderischen Taten. Diktatoren haben bewiesen, dass es ihnen immer wieder bis zu ihrem Tode gelungen ist, Menschen zu verführen und sie sich zu unterwerfen. Daran arbeiten sie, solange sie leben.“ (SPIEGEL-Online, 12.01.2004, Alice Miller über Saddam Hussein: „Mitleid mit dem Vater“)
Mich verwundert diese Einstellung, trotz ihrer „sachlichen Argumentation“. War es doch vor allem Alice Miller, die immer wieder darauf aufmerksam gemacht hat, dass die Menschen sich destruktiver, unbewusster Prozesse bewusst werden müssen, um Gewalt verhindern zu können. Einen Diktator zu töten, bringt gar nichts und würde außerdem den Vollstrecker selbst zum Mörder machen. Ich halte mehr davon, die destruktive Kindheit dieser Tyrannen öffentlich zu machen, den Menschen klar zu machen, warum diese so handeln und natürlich breiten Kinderschutz voranzutreiben.

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