Donnerstag, 27. November 2008

UNICEF-Bericht zum Wohlergehen der Kinder in Industrieländern

Der Bericht „Child poverty in perspective: An overview of child well-being in rich countries“des UNICEF-Forschungsinstituts Innocenti aus dem Jahr 2007 liegt vor.

Deutsche Zusammenfassung hier: http://www.unicef.de/fileadmin/content_media/presse/fotomaterial/Kinderarmut/StudieD.pdf

Erfasst wurden folgende Dimensionen, um die Lebenssituation von Kindern beurteilen und vergleichen zu können:


1. Materielle Situation

1 a Relative Einkommensarmut

1 b Arbeitslosigkeit der Eltern

1 c Mangelsituationen


2. Gesundheit

2 a Säuglingssterblichkeit und Geburtsgewicht

2 b Anteil geimpfter Kinder

2 c Unfälle und Verletzungen


3. Bildung

3 a Schulisches Leistungsvermögen

mit 15 Jahren

3 b Besuch weiterführender Schulen

3 c Übergang in die Arbeitswelt


4. Beziehungen zu Eltern und
Gleichaltrigen

4 a Familienstruktur

4 b Familienalltag

4 c Beziehungen zu Gleichaltrigen


5. Lebensweise und Risiken

5 a Gesunde Lebensweise

5 b Risikoreiches Verhalten

5 c Erfahrungen mit Gewalt


6. Eigene Einschätzung der Kinder

und Jugendlichen

6 a Eigene Gesundheit

6 b Situation in der Schule

6 c allgemeine Zufriedenheit


Deutschland liegt im Ergebnis auf Rang 11. Besonders schlecht schneiden Großbritannien (letzter Platz Nr. 21) und die USA (vorletzter Platz Nr. 20) ab.

Es ist schon interessant, dass ein Land wie die USA, welches in den letzten 8 Jahren unter Bush erheblich den Weltfrieden gefährdet und gleichzeitig die eigene Gesellschaft herunter gewirtschaftet hat, ganz hinten im Ranking um die Sorge für Kinder steht. Ich kenne nicht die Zahlen aus den Jahren vor Bush. Zwei gedankliche Richtungen gehen mir hier aber durch den Kopf:
Erstens scheinen Regierungen, die in erheblicher Weise destruktiv und kriegerisch agieren, immer auch unfähig oder besser gesagt unwillig, sich der Sorge um die eigenen Kinder anzunehmen. Was wiederum die Vermutung nahe legt (gerade auch wenn man sich mit Thesen von Lloyd deMause auseinandersetzt), dass sie es in Ihrer eigenen Kindheit nicht anders erfahren haben und die kollektive Vernachlässigung von Kindern auf Grund unbewusster Prozesse geschieht. Zweitens ist immer auch die Frage, in wie weit eine kollektive schlechte Versorgung von Kindern wiederum dazu beiträgt, dass eine Gesellschaft sich destruktiv-kriegerisch entwickelt. Das immer auch andere Faktoren mit in entsprechende Gesellschaftsanalysen einbezogen werden müssen, versteht sich. Nur warum werden solche naheliegenden Zusammenhänge wie oben beschrieben in der Öffentlichkeit kaum oder eher nie dargestellt?


Mittwoch, 26. November 2008

Parallelen zwischen Folter und Kindesmisshandlung

„Bei Folter geht es im Wesentlichen darum, den Willen, die Menschlichkeit und den Geist des Individuums zu zerstören, sodass es die Kontrolle über sich verliert und bereit ist, seinen Folterern die Kontrolle über sich zu übergeben“, wird im aktuellen greenpeace magazin ein Mitglied des kanadischen Zentrums für Folteropfer zitiert. (greenpeace magazin, 01/02/2009: „Denk nach, wie du am Leben bleibst“, S. 52-54, von Sylvia Feist )

Der Protagonist des Artikels, der durch die CIA verschleppt in Syrien fast ein Jahr lang gefoltert wurde, war nach dieser Zeit nicht mehr der selbe. „Ich war wie ein Hund“, erinnert er sich an die erste Zeit nach seiner Rückkehr, „ich war unterwürfig, schwach und habe alle Entscheidungen an meine Frau abgetreten. Ich war vollkommen zerstört, emotional und psychisch.“

Ich ändere jetzt mal obige Definition für Folter folgendermaßen:

Bei dem Missbrauch und der Misshandlung von Kindern geht es im Wesentlichen darum, den Willen, die Menschlichkeit und den Geist des Kindes zu zerstören, sodass es die Kontrolle über sich verliert und bereit ist, seinen Eltern die Kontrolle über sich zu übergeben“

Erschreckende Parallelen tun sich hier auf, wie ich finde, auch wenn es bei Folter um ein Extrembeispiel geht. Auch die Folgen der Folter beschreiben einen Teil der möglichen Wirkung auch von Kindesmisshandlung.

Weitere Gedanken zu diesen möglichen Parallelen zwischen "politisch motivierter" Folter und der Misshandlung von Kindern überlasse ich den LeserInnen dieses Blogs.

Donnerstag, 20. November 2008

Definition Krieg

Für eine ungewöhnliche Bearbeitung des Themas bedarf es auch einer ungewöhnlichen Definition von "Krieg".

Wie der Psychohistoriker Lloyd deMause Krieg definiert:

Krieg ist ein Ritual der Wiederaufführung früher Traumata zum Zweck der Rache und Selbstläuterung. Kriege sind klinische emotionale Störungen, kollektiv psychotische Episoden von wahnhaft erzeugter Schlächterei, mit der Absicht, einen schweren Kollaps der Selbstachtung zur Erreichung von Gerechtigkeit in Rache zu verwandeln. Kriege sind sowohl mörderisch als auch selbstmörderisch. (vgl. deMause, 2005, S. 119)

Krieg ist ein Opferritual, dazu bestimmt, Angst vor Individuation und Verlassenwerden abzuwehren, indem unsere frühen Traumata an Sündenböcken wiederaufgeführt werden. (ebd., S. 65)

Kriege sind Wohlstandsreduzierungsrituale. Sie sind Antworten auf Wachstumspanik - Antworten auf Fortschritt und Wohlstand, nicht auf Rückgang. Was tatsächlich schwindet, wenn Nationen entscheiden, in den Krieg zu ziehen, sind nicht ökonomische, sondern emotionale Ressourcen. (ebd., S. 112)

„Wachstumspanik“ entsteht nach deMause auf Grund früher Traumatisierungen und destruktiver Erziehung (ebd., S. 72ff + 96ff) (Dazu habe ich Näheres hier ausgeführt, im etwas hinteren Teil des Kapitels))

Eine solche Definition steht natürlich im krassen Gegensatz zu einer sozialwissenschaftlichen Definition von Krieg. DeMause bringt hier sowohl moralische Wertungen als auch ursächliche Erklärungen mit ein.
Der vollkommen anderer Ansatz wird noch deutlicher, wenn man sich z.B. die sozialwissenschaftliche Definition der Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) anschaut (siehe hier ganz Unten im Text). Diese ist vollkommen wertneutral und beobachtet bzw. kategorisiert einfach das Geschehen. Für die Sozialwissenschaft sicherlich ein berechtigter Ansatz. Für die Art und Weise, wie ich mich hier mit dem Thema Krieg auseinandersetze, ist die „emotionale“ Definition von deMause die geeignetere.

Samstag, 15. November 2008

Fehlende Empathie und Krieg

Es ist für mich immer wieder erschreckend, wie sehr sich im Alltag das für mich bestätigt, über was ich hier schreibe.

Eine Bekannte von mir traf heute auf eine Bekannte (toller Satzbau...), nennen wir letztere einfach mal „Cordula“. Ich selbst habe das Gespräch zwischen den beiden nur bruchstückhaft mitbekommen, allerdings berichtete mir meine Bekannte anschließend ausführlich und sehr erschüttert:
Selbige hat vor einigen Monaten ein Kind bekommen und dies in dem Gespräch Cordula (diese ist ca. 65 Jahre alt) erzählt. Daraufhin bekam sie erst mal Glückwünsche und man kam ins Gespräch über Erziehung. Cordula kam gleich zur Sache und berichtete ganz offen (als Erziehungsempfehlung), wie sie früher einen ihrer Söhne regelmäßig mit einem Holzstab geschlagen hatte. Dieser Sohn sei im Gegensatz zu ihren anderen Kindern immer herausfordernder gewesen und habe sie stets auf die Palme getrieben. Die anderen Kinder waren einfach sensibler, meinte sie weiter. Doch dieser Sohn... Außerdem war sie oft alleine mit der Erziehung der Kinder, da musste sie sich durchsetzen. Ja und dieser Sohn habe sie sogar darum gebeten, bestraft zu werden. Sie wäre diesem Wunsch dann nachgekommen. Als der Holzstab schon etwas älter war, zerbrach er dann bei einer Ihrer Prügelaktionen. Der Sohn musste dann von seinem Taschengeld einen neuen kaufen, dies habe ihm ganz offensichtlich erheblich mehr weh getan, als die Bestrafungen. Cordula lacht und ist amüsiert. Jedenfalls, so meinte sie weiter, sei dieser Sohn von all ihren Kindern der robusteste und es habe ihm nicht geschadet.

Es ist für mich immer wieder ganz erstaunlich, wie empathielos Menschen sein können. Cordula fehlt offensichtlich jedes Unrechtsbewusstsein für ihre Handlungen. Mehr noch: Sie gibt im Jahr 2008 solche Erziehungsratschläge an eine junge Mutter. Es ist ihr nicht peinlich, sie scheint eher stolz darauf zu sein. Die Folgen für den Sohn werden kurz deutlich: Er sei der „robusteste“ von allen, die anderen seien sensibler. Robust bedeutet für sie, der schafft es im Leben. Robust bedeutet für mich in diesem Zusammenhang: Der arme Sohn, sehr wahrscheinlich musste er sich gefühlsmäßig ausschalten, um das alles zu ertragen.


Ich erinnere mich an ein anderes Erlebnis (ist schon ein paar Jahre her), das ich mit einer ehemaligen Kinderpflegerin hatte. Sie bekam mit, dass ich einen Text von Alice Miller las und fragte neugierig nach. Ich berichtete kurz, um was es ging und welche Thesen Miller vertritt. Daraufhin grübelte sie kurz. Dann meinte sie, „weißt Du, das ist nicht immer alles so zu sehen. Ich hatte in einem Kindergarten mal einen Jungen, der war wirklich schwierig. Außerdem hat er sich dauernd in die Hose gemacht. Irgendwann reichte es mir dann. Ich habe ihn geschnappt, bin mit ihm aufs Klo und habe ihn richtig durchgeprügelt. Danach war der nie wieder frech zu mir und hat sich benommen, wirklich vorbildlich. Außerdem habe ich seinen Eltern dann berichtete, dass ich ihn körperlich bestraft habe. Diese hatten damit kein Problem und meinten, dass das schon richtig so wäre.“ Diese Kinderpflegerin war sichtlich stolz auf ihren „Erfolg“. Für sie war es ihre Art mir zu sagen, dass Alice Miller ja wohl nicht immer recht haben könne.

Nachdem sie zu Ende berichtete hatte, fragte ich ohne weiteres Vorwort, wie sie denn ihre eigene Kindheit erlebt hatte und ob sie geschlagen worden war. Ihr stolzes Lächeln blieb in ihrem Gesicht und sie sagte: „Oh ja, wir sind richtig oft verprügelt worden. Wir mussten uns immer in der Reihe aufstellen und unserem Vater den Lederriemen überreichen. Danach konnten wir teilweise gar nicht mehr sitzen. Ach was haben wir Kinder damals Nachts zusammen über unsere Eltern geklagt“, sie lachte.

In beiden Beispielen sieht man, wie abgespalten diese Frauen von ihren Gefühlen sind. Im letzteren hat mich besonders erstaunt, dass die ehemalige Kinderpflegerin auch nach meiner deutlichen Nachfrage nicht den Zusammenhang verstanden hat, auf den ich sie hingewiesen hatte. Nämlich das sie weitergab, was sie selbst erlitten hatte. Sie lächelte einfach. Es war schlimm für mich zu sehen, wie gespalten diese Frau war.

Beide Frauen sind ansonsten vollkommen normal und unauffällig. Sind ökonomisch eher Mittel bis gehobene Mittelschicht. Haben einen breiten Bekannten- und Freundeskreis. Wissen, wie man sich benimmt usw.

Was hat das ganze nun mit dem Thema Krieg in diesem Blog zu tun? Sehr viel, meine ich. Denn diese Frauen sind keine Randgruppe, da bin ich sicher. Es ist erstaunlich wie ver-rückt beide eigentlich sind und wie scheinbar normal sie trotzdem ihr bürgerliches Leben hinbekommen. Warum werden in Kriegszeiten ganz normale Menschen plötzlich zu menschlichen Monstern? Eine Frage, die im Angesicht des Krieges oft gestellt wird. Die Antwort: Viele Menschen sind nur schein-normal, in vielen schlummert mörderische Aggressivität und viele besitzen kein Mitgefühl. Ein Weg, diese Spaltung aufzulösen, ist eine Psychotherapie. Ein anderer, viel wichtigerer ist Prävention in Form von massivem, gut strukturiertem und gut finanzierten Kinderschutz.

Donnerstag, 6. November 2008

„Krieg kann tödlich sein“

Gestern lief auf dem TV-Sender ARTE die Kriegs-Dokumentation „Die Hölle von Verdun“. Eigentlich schaue ich nur noch selten solche Dokus, weil ich meine Lebenszeit auch mit schöneren Bildern ausfüllen kann. Diese Doku hat mich allerdings sehr beeindruckt, weil sie wie kaum eine zweite die Schrecken der Realität Krieg und die Hölle, die die Soldaten erleben, bildlich darstellt. Ganz besonders blieb mir ein sogenannter Zitter-Soldat in Erinnerung. Dieser kriegstraumatisierte Mann bekam den Schrecken, das blanke Entsetzen und das Zittern nicht mehr aus seinem Gesicht. Er war fast die zu fleisch gewordene Menschenfigur von Edvard Munchs Bild „Der Schrei“... Ich persönlich hielt nur die Hälfte der Sendung aus, weil mir der Krieg zu sehr ins Schlafzimmer kroch.

Irgendwie kam dann eine Fantasie dazu. Eigentlich wäre es doch sinnvoll, wenn Soldatenanwärter bevor sie ihre Zeitverträge oder auch ihre Entscheidung, Wehrdienst zu leisten, schriftlich absegnen, solche Dokus vorgeführt bekommen, gesetzlich verordnet in einem Raum mit anderen Anwärtern. Da sich o.g. Doku auf den ersten Weltkrieg bezieht und dieser ja „schon lange her ist“, müsste die Doku noch um eine aktuelle z.B. aus dem Irakkrieg ergänzt werden.

Auf den Soldaten-Verträgen müssten dann - wir nehmen mal an, ich bin jetzt z.B. Gesundheitsminister der BRD und bekomme eine Mehrheit für diese gesetzliche Regelungen – ähnlich wie auf Zigarettenpackungen aus gesundheitlichen Fürsorgepflichten der Bundesregierung heraus und auch auf Grund juristischer Absicherungen Sätze stehen wie: „Krieg lässt Sie altern“, „Das Soldatenleben kann tödlich sein“, Krieg fügt Ihnen und den Menschen in ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu“, „Krieg kann tödlich sein“, „Soldaten sterben früher“. usw.

Zugegeben, diese Idee lässt mich fast schmunzeln. Aber sie ist eigentlich ernst gemeint. Warum sollte so etwas nicht möglich sein? Letztlich soll es ja nur um einen symbolischen Akt gehen, der auch die leise Hoffnung beinhaltet, dass die Verdrängung vor der Realität Soldat bei dem ein oder anderen Anwärter durch solche Regelungen kurz aufbricht und er sich anders entscheidet. Und wahrscheinlich würden sich trotzdem noch genug Soldaten finden.

Sonntag, 2. November 2008

Grundsätzliche Hinweise

Oder: Wie ich nicht verstanden werden möchte

Meine Erfahrung bei diesem Thema ist, dass als erste Reaktion oftmals erst mal abgewehrt wird (teils auch mit sehr emotionalen oder manchmal auch wütenden Reaktionen). Das ist auch verständlich, u.a. deswegen, weil die meisten Menschen Verletzungen in ihrer eigenen Kindheit erfahren mussten. Wenn dann Zusammenhänge zu eigenem späteren Gewaltverhalten aufgezeigt werden, wird das oft in die Richtung gedeutete: "Dann hätte aus mir ja auch ein Gewalttäter werden müssen, dann bin ich mit diesem Hinweis auch gemeint, eine solche Äußerung verletzt mich sehr!" Eine solche Pauschalisierung liegt mir natürlich fern!

Viele Menschen haben auch Angst davor, auf Grund ihrer Kindheitserfahrungen stigmatisiert oder auf diese reduziert zu werden, gerade auch, wenn diese Erfahrungen von erheblicher Gewalt und schwerem Missbrauch geprägt waren. Auch eine Stigmatisierung oder Reduzierung von Menschen liegt mir fern! Wir müssen Menschen immer nach ihrem Verhalten beurteilen.

Eine weitere Angst fiel mir bei Diskussionen auf. Die Angst davor, dass das zerstörerische Verhalten von TäterInnen durch die Analyse ihrer destruktiven Kindheiten entschuldigt oder gar gerechtfertigt würde. Auch dies liegt mir fern. Einem Opfer kann es natürlich herzlich egal sein, was ein Täter als Kind erlitten hat. Ein Richter sollte den einen Täter vor dem Gesetz nicht anders behandeln, als den anderen, nur weil es dem einen „als Kind schlechter erging“. Und ein Therapeut kann zusammen mit einem Täter vielleicht vieles analysieren, was für dessen Heilung auch wichtig ist, wenn es aber zu Rechtfertigungen kommt, muss eine klare Grenze gezogen werden. Niemand hat das Recht, die Würde eines anderen Menschen zu verletzen, Punkt. Und: Als Menschen haben wir immer auch die Wahl und tragen Verantwortung für unser Handeln und unsere Entscheidungen.

Nichts desto Trotz finde ich in den Texten hier deutliche Worte und Zusammenhänge zwischen destruktiven Kindheiten und destruktiven Verhaltensweisen. Ich befinde mich dabei allerdings auch auf der Analyseebene, das bitte ich zu verstehen. Mir geht es dabei insbesondere um die Prävention von Gewalt und um die Schaffung von einem Bewusstsein dafür, wie entscheidend uns alle die Kindheit prägt. Ich persönlich sehe mich dabei eher als Vermittler des Themas. Es gibt (Fach-)Menschen, die wesentlich mehr Ahnung von dem Thema haben und bessere Worte finden, als ich. Mir persönlich hilft dieser Blog, einige Gedanken zu ordnen. Und ich meine, dass gar nicht genug auf dieses Thema hingewiesen werden kann.

Mir wurde schon einmal vorgeworfen, dass aus meinem Grundlagentext nur ein Entweder/Oder, ein hier „die guten nicht-misshandelten“ und dort die „bösen misshandelten Menschen“ hervorgehen würde. Ich sehe die Gefahr, dass eine solch schwarz-weiße Deutung je nach dem, wie der Text individuell verstanden und empfunden wird möglich ist. Allerdings möchte ich auch auf die „Grautöne“ im Text verweisen: Stichworte z.B. „Helfender Zeuge“, unterschiedliche Formen und Auswirkungen der Gewalterfahrungen, Einfluss gesellschaftlicher Prozesse wie sie z.B. der „Hamburger Ansatz“ beschreibt.
Wichtig ist mir hier zu sagen, dass meinem Empfinden nach unsere Welt auch kompliziert, ungerecht, herausfordernd und manches mal auch unglücklich machend bleiben würde, wenn die meisten Menschen als Kind Liebe und Achtung erfahren hätten. Ich behaupte nicht, dass das Leben einfach ist (was es ja auch so spannend macht :-) ) Außerdem sind wir nun mal Menschen, wir machen Fehler. Ich glaube aber in der Tat, dass so etwas enorm destruktives wie Krieg nicht mehr entstehen würde, wenn ein bedeutender Teil der Menschheit liebevoll und ohne Gewalt heranwachsen dürfte. Ich bin dabei im Grunde auch Optimist. Es wird noch so einige Generationen dauern, aber es zeichnet sich im historischen Rückblick ab, dass sich die Kindererziehung von Generation zu Generation verbessert und die Menschen dadurch immer emphatischer werden. Nie zuvor in der Geschichte wurden Kinder zu gut behandelt, hatten Kinder so viele Rechte und wurde Kindern und ihrer Entwicklung so viel Aufmerksamkeit geschenkt wie heute (trotz aller immer noch erschreckender Zahlen, die vorliegen). Es ist somit nur eine Frage von Zeit. Haltet mich für verrückt: Ich bin mir sicher, dass spätere Generationen mit dem gleichen Erschrecken und Unverständnis in die Geschichte auf Kriege blicken werden, wie wir dies heute in Europa tun, wenn wir uns z.B. mit der mittelalterlichen Hexenverbrennung oder der mittelalterlichen Medizin beschäftigen. Kriege werden für spätere Generationen nicht mal mehr theoretisch vorstellbar sein.

Weitere Gedanken zu möglicher Kritik habe ich mir hier gemacht

Samstag, 1. November 2008

Kindesmisshandlung in Pakistan

Es ist nicht gerade leicht, für Länder wie Pakistan und Entwicklungsgesellschaften allgemein verlässliche Zahlen zu bekommen, wie viele Kinder in diesen Ländern misshandelt werden.

In dem Grundlagentext schrieb ich:
"Außerdem wurde in den 90er Jahren in verschiedenen Untersuchungen festgestellt, dass das Ausmaß der häuslichen Gewalt gegen Frauen in Entwicklungsgesellschaften (Ausmaß: ca. 30 bis 80 %) im Vergleich zu westlichen Ländern (Ausmaß: ca. 20 – 28 %) oftmals erheblich höher ist. Pakistan (Ausmaß: 80 %) und Tansania (Ausmaß: 60%) stehen dabei an der Spitze der Liste. (vgl. Seager (1998) zit. nach amnesty journal, 03/2008, S. 16) Entsprechend erleben in diesen Ländern auch Kinder häufiger Gewalt mit. "

Diese Zeilen habe ich jetzt im Text wie folgt ergänzt:
"Untersuchungen aus den USA zeigen darüber hinaus, dass ein enger Zusammenhang zwischen der Gewalt gegen Mütter und Gewalt gegen Kinder besteht. Die Überschneidung von häuslicher Gewalt und Kindesmisshandlung beträgt je nach Studiendesign 30 % bis 60 %. Zusätzlich wurde in medizinischen Versorgungseinrichtungen festgestellt, dass 45 % bis 59 % der Mütter von misshandelten Kindern gleichfalls von Gewalt betroffen sind. (vgl. Hellbernd / Brzank,. 2006, S. 93) Wenn man diese Zahlen auch für Entwicklungsgesellschaften zu Grunde legt, ergibt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ein sehr hohes Ausmaß an Kindesmisshandlung. Für Pakistan mit 80 % betroffenen Frauen wäre dann z.B. anzunehmen, dass auch die Kindesmisshandlung in diesem Land extrem verbreitet ist."

Für Deutschland gilt, dass 10 bis 15 % der Kinder körperlich misshandelt werden. 25 % aller deutschen Frauen erleben in ihrem Leben Gewalt durch den Partner sprich häusliche Gewalt. Dieses Verhältnis ist natürlich nur sehr grob und steht nicht in direktem Zusammenhang. Zu Bedenken ist, dass von den 25 % zum Zeitpunkt der Gewalterfahrung ca. die Hälfte mit Kindern lebten; dass auch Frauen Kinder misshandeln usw.
Es dürfte trotzdem einleuchten, dass für Pakistan - mit 80 % von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen in den 90er Jahren - sicher auch entsprechend hohe Raten von Kindesmisshandlung zu verzeichnen sind. Es dürfte auf Grund dieser groben Zahlenspiele nicht übertrieben sein, wenn man für Pakistan von ca. 30-40 % misshandelten Kindern ausgeht.

Somit dürfte auch der alltägliche Terror, der Fundamentalismus und die politische Instabilität in diesem Land deutlich mit der weit verbreiteten Gewalt in den pakistanischen Familien zusammenhängen. Wenn diese familiäre Gewalt im Zusammenhang mit den aktuellen Modernisierungsprozessen (und entsprechenden Konklikten) in Pakistan betrachtet wird, lässt sich die politische Gewalt in diesem Land gut ursächlich erklären, wie ich meine. Leider wird erst genannter Zusammenhang oft gar nicht erst in entsprechende Analysen einbezogen.